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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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mit Wasser vermischt, und sank wieder ins Reich der Träume. Erst am Nachmittag kam er zu sich und rief nach seinem schwarzen boy, verlangte Waschwasser und frische Wäsche, dann begab er sich in die Inderstraße, um in einer Garküche eine Kleinigkeit zu essen. Bei seiner Ankunft in Daressalam war er– aus welchem Grund auch immer– als Erstes in die Inderstraße gelaufen. Doch das Haus, in dem Charlotte damals ihren Laden geführt hatte, war abgerissen. Stattdessen prangte dort ein Neubau, ein weißer Kasten mit großen Fenstern, Satteldach und einem lächerlichen, säulengestützten Vorbau. Ein deutscher Zollbeamter wohne dort, hatte man ihm erzählt, das Haus aber gehöre Kamal Singh, dem Inder.
    Bei einer Goanesin erwarb er eine Teigtasche, die mit Hühnerfleisch, Reis und Bohnen gefüllt war und nach Zitronengras duftete. Sie war mit Chili feurig gewürzt und trieb ihm das Blut rasch durch die Adern, doch als er den letzten Bissen verzehrt hatte, fühlte er, dass die Benommenheit des langen Schlafes endlich vergangen war. Ihm kam eine Idee, unsinnig, möglicherweise sogar alles andere als gut, und doch konnte er nicht widerstehen. Charlotte musste längst in Kilwa angekommen sein, vermutlich war sie inzwischen weiter nach Naliene gereist. Aber es war auch möglich, dass sie und Klara sich in Kilwa aufhielten, der Zeitpunkt der Entbindung schien in nicht allzu weiter Ferne zu liegen. Er hatte Charlotte nicht beunruhigen wollen, aber er sorgte sich ein wenig um Klara. Sie war schon über dreißig, nicht mehr ganz jung also, und es war ihr erstes Kind. Sein französischer Kollege Gaspard Rameau hatte den Stabsarzt Dr. Lott einmal als boucher beschrieben, als Metzger, was nicht viel Gutes verhieß. George war Dr. Lott noch nie begegnet und wollte ihm nicht unrecht tun, zudem von Rameau kein verlässliches Urteil zu erwarten war– er war empfindlich und nörgelte gern an Kollegen herum.
    George lenkte seine Schritte zum Postamt. Er mochte vom Klinikfernsprecher aus nicht gern Privatgespräche führen, zumal Shira, die Allgegenwärtige, vermutlich mit gespitzten Ohren mithören würde. Sie konnte recht gut Deutsch, ihr Vater hatte einen Posten im Hafenamt.
    In dem weitläufigen Eingangsbereich des Hauptpostamts herrschte ungewöhnlich viel Betrieb. Mehrere indische Geschäftsleute standen beieinander und schienen sich zu beraten, Afrikaner unterhielten sich gestikulierend, ein deutscher Postbeamter eilte mit einem Telegramm durch den Raum und verschwand hinter einer Tür.
    » Ein Gespräch zum Bezirksamt Kilwa Kivinje.«
    Der junge Telegraphenbeamte zuckte die Schultern.
    » Bedaure– momentan ist die Leitung gestört.«
    Das war zwar ärgerlich, aber nicht weiter ungewöhnlich– solche Unterbrechungen kamen immer wieder vor. Man hatte erst kürzlich einige Giraffenbullen abschießen müssen, die immer wieder die Telegraphenstangen umgebrochen hatten, auch Nashörner, Blitzeinschlag oder Steppenbrände konnten der Leitung gefährlich werden.
    » Dann versuche ich es morgen wieder.«
    Er war enttäuscht, hatte er doch gehofft, eine Nachricht von Charlotte zu erhalten oder vielleicht sogar sie selbst sprechen zu können. Plötzlich wurde ihm bewusst, wie sehr er darauf gehofft hatte, und er musste sich selbst zur Ordnung rufen. Welch zweifelhaftem Glück lief er jetzt wieder hinterher? Er hatte ausgespielt, es gab nichts mehr zu gewinnen. Und doch…
    » Ah– Dr. Johanssen!«
    Der deutsche Kollege aus dem Gouvernementskrankenhaus hatte den Arm gehoben und steuerte jetzt quer durch den Raum auf ihn zu. Wie hieß dieser Mensch doch? Dr. Wildermut, oder Meierhut… egal, es lohnte sich nicht, den Namen zu behalten.
    » Jetzt haben Sie es! Was sagen Sie dazu? Hm?«
    George war wenig an einem Gespräch interessiert. Nur der Höflichkeit halber blieb er stehen, fest entschlossen, den nun unweigerlich folgenden Angriffen mit Ironie zu begegnen.
    » Guten Tag– oder vielmehr guten Abend«, grüßte er.
    » Sagen Sie besser: Gute Nacht! Haben Sie es noch nicht mitbekommen? Die verdammten Neger machen einen Aufstand. Einen deutschen Baumwollpflanzer haben sie ermordet. Mehrere Akiden erschlagen. Wie die Berserker fallen sie dort im Süden über die Missionen und Polizeiposten her, Inder sind abgestochen worden, ihre Läden in Brand gesteckt…«
    George starrte in das gerötete Gesicht des Arztes, der sich jetzt mit einem weißen Schnupftuch den Schweiß abwischte und dann den dunkelblonden Schnurrbart mit dem Finger

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