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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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sich vor, wach zu bleiben, immer wieder nach der Cousine zu sehen, ihr Wasser einzuflößen, im Notfall George zu alarmieren. Doch während sie noch grübelte, wo Matumbe den Wasserkrug hingestellt haben mochte, übermannte sie schon der Schlaf. Ohne Übergang zog er sie hinab in kühle, traumlose Dämmerung, deckte alle Sorgen mit dem schwarzen Tuch des Vergessens zu und gab ihr erlösende Ruhe.

Ein Schrei riss sie in die Wirklichkeit zurück. Gellend, verzweifelt, der Ruf eines Menschen in äußerster Todesangst. Gleich darauf krachten schwere Schläge, Holz splitterte, ein großer Gegenstand stürzte um. Charlotte war einen Augenblick wie gelähmt und begriff nur eines: Es war Matumbe, die drüben schrie.
    Es blieb ihr keine Zeit, auch nur aus dem Bett zu steigen. Der Vorhang bauschte sich, wurde heruntergerissen, Tageslicht fiel in den dämmrigen Schlafraum. Man hatte drüben die Tür eingedrückt und einen Teil der Wand gleich mit umgerissen. Geisterwesen mit grell bemalten Gesichtern drängten zu den beiden Frauen hinein, sie trugen Speere und Pfeile, ihre Körper waren mit der roten Erde gefärbt.
    » Nein! Lasst sie in Ruhe. Sie hat euch niemals ein Leid zugefügt…«
    Peters Stimme überschlug sich. Sinnloserweise redete er in deutscher Sprache auf die Eingeborenen ein, flehte, beschwor Gottes Zorn auf sie herab. Für einen Augenblick erblickte Charlotte seine helle Gestalt zwischen den rötlichen Körpern der Krieger, wie er mit ausgebreiteten Armen versuchte, den Schafraum zu schützen. Dann sank er zu Boden, von einem Schlag oder einer Lanze niedergestreckt. Er besaß doch ein Gewehr– weshalb hatte er es nicht benutzt? War der Überfall zu rasch gekommen? Drüben im Wohnraum herrschte Getümmel, sie hörte Georges Stimme, laut und zornig auf Suaheli.
    » Sie ist eine von euch. Weshalb wollt ihr sie töten? Was hat sie getan?«
    Charlotte warf sich instinktiv über Klara, mehr konnte sie nicht tun. Die bemalten Eindringlinge stießen die Kisten um, rissen Kleider und Wäsche heraus, nahmen die Bilder von den Wänden und zerbrachen sie. Einer fand den Säugling und schleppte ihn mitsamt seiner Kiste hinaus. Draußen vor dem Missionshaus gackerten aufgeregt die Hühner, die Ziegen meckerten, man hörte den Esel unwillig schnauben. Sie führten das Vieh der Mission aus den Ställen.
    » Mein Kind«, wisperte Klara. » Lass mich doch, Charlotte. Rette mein Kind. Ich flehe dich an…«
    Hände griffen nach ihnen. Charlotte wehrte sich, schlug mit den Armen, versuchte, sich an Klara festzuklammern. Doch als man sie an ihren offenen Haaren hochzerrte, war der Schmerz so stark, dass sie aufgab.
    » Sie ist krank!«, rief sie auf Suaheli. » Sie hat ein Kind geboren!«
    Niemand hörte auf ihr Geschrei. Man stieß sie, riss an ihren Kleidern, schlug auf sie ein. Was wollten sie? Weshalb stachen sie ihr nicht eine Lanze in den Körper? Trennten ihr den Kopf mit dem Messer ab? Sie taumelte, wurde vorangestoßen, stürzte über einen Schemel und fiel zu Boden. Wehrte sich wütend gegen die Hände, die sie fassten und aufheben wollten.
    » Sie brennen das Haus nieder!«, brüllte ihr jemand ins Ohr. » Steh auf! Rasch!«
    Sie begriff nicht, dass es George war, der versuchte, sie vom Boden hochzuzerren. Sie roch den Brand, sah jetzt die ersten Flammen züngeln, über ihnen hatte das Strohdach längst Feuer gefangen.
    » Klara! Klara!«
    Ihre Stimme klang wie die einer Irrsinnigen. Mit verzweifelter Anstrengung wollte sie sich aus der Umklammerung winden, um in das brennende Inferno zu stürzen, das einst das Schlafzimmer gewesen war. Klara!
    » Hörst du denn nicht, Charlotte«, keuchte er. » Klara ist in Sicherheit. Verdammt, bist du denn taub!«
    Sie retteten sich mit knapper Not auf den Hof, standen dort atemlos, husteten, hielten sich aneinander fest. Hinter ihnen loderten meterhohe Flammen empor, waberten, sausten, knisterten, dann stürzten die Reste der hölzernen Dachkonstruktion ein, und die roten Funken stoben weit in die Umgebung. Jubelrufe waren zu hören, die Krieger schwenkten höhnisch ihre Speere, einige tanzten, andere standen still und starrten in die Flammen.
    » Verhalte dich ruhig«, sagte George. » Ich weiß nicht, was sie vorhaben, aber sie wollen uns nicht töten.«
    » Woher willst du das wissen?«
    » Sonst hätten sie es längst getan. Sie haben Klara und Peter aus dem Haus geschleppt…«
    » Peter… Was ist mit ihm?«
    Eine dunkle Speerspitze berührte Georges Brust, und er schwieg.

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