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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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das, was er da tat, war entsetzlich. Hätte sie nicht die Aufgabe gehabt, Klara in ihrer Not zu stützen, ihr den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen, ihren gequälten Körper umklammert zu halten– sie wäre vermutlich in Ohnmacht gefallen.
    Es war kurz vor Morgengrauen, als Klaras Sohn geboren wurde. Es war ein kräftiger Säugling, doch sein Körper war leblos, die Haut blass, fast bläulich.
    » Halt ihn an den Füßen, und klopf ihm sanft auf den Rücken. Nimm den Strohhalm, und saug ihm die Flüssigkeit aus dem Mund. Nun mach schon, Charlotte!«
    Mit zitternden Händen gehorchte sie, doch das Kind regte sich nicht und wollte nicht schreien. George war nur mit Klara beschäftigt, untersuchte die Nachgeburt, rieb ihr Schläfen und Arme, und rief ihr zu, sie habe einen Sohn, bis sie endlich zu sich kam und die Augen aufschlug.
    » Einen Sohn? Ich will ihn sehen.«
    George strich Klara über die kühle, schweißfeuchte Stirn, hielt die Hand eine kleine Weile an ihrer linken Schläfe, dann lächelte er sie an. Nie hatte Charlotte ihn so zärtlich gesehen.
    » Charlotte hat deinen Kleinen im Arm. Schlaf jetzt, ruh dich aus. Es ist alles in Ordnung, du hast einen Sohn geboren.«
    Klaras Kopf sank auf die Seite, sie war viel zu matt, um auf ihrer Bitte zu beharren.
    » Ich danke dir, George«, flüsterte sie und fasste seine Hand. » Du kamst wie ein rettender Engel. Gott segne dich.«
    Charlotte hatte das Kind in ein Tuch gewickelt und hielt es an ihrer Brust, als könnte sie ihm durch die Wärme das Leben wiedergeben.
    » Leg ihn hierher!«
    » Aber…«
    » Tu was ich sage, Charlotte.«
    Er untersuchte den Säugling, stellte alles Mögliche mit ihm an, horchte auf die Herztöne, doch es war umsonst.
    » Es war vorauszusehen, die Nabelschnur hatte sich um seinen Hals gewickelt«, murmelte George. » Wäre ich doch früher gekommen. Himmel, ich wollte sofort nach Kilwa aufbrechen, als du mich anriefst. Ich habe es nicht getan, weil… weil ich glaubte, du wolltest es nicht. Es war falsch. Alles hätte anders kommen können…«
    Er stockte und wandte sich ab. In seiner Verbitterung hatte er Dinge gesagt, die Charlotte verletzen würden.
    » Aber… er atmet doch.«
    » Du täuschst dich, Charlotte.«
    Der Säugling zuckte mit den Ärmchen, und sein winziges Gesicht verzog sich zu einer schmerzhaften Grimasse. Er gab keinen Laut von sich, doch sein Atem war wahrnehmbar. Schwach und unendlich rasch wie der Atem eines kleinen Vögleins.
    » Er lebt… Mein Gott, er lebt.«
    Georges Hände waren unendlich sanft, als er das kleine Wesen in die Tücher einhüllte und Charlotte in den Arm gab.
    » Halt ihn warm, du weißt ja, wie man das macht. Und vergiss bitte die Dummheiten, die ich eben geredet habe.«
    Sie spürte das lebendige Kind dicht an ihrem Körper, und plötzlich löste sich all ihre Anspannung in einem gewaltigen Glücksgefühl. Sie hätte weinen und lachen können, ihn umarmen und küssen, sich an seine Schulter lehnen und vor Glück schluchzen.
    » Du bist ein wundervoller Arzt, George. Du hast Klara und dieses Kind gerettet– ich liebe dich dafür.«
    Er schwieg und sah sie mit dem altgewohnten Blick an, eindringlich, als sähe er sie zum ersten Mal. Dann lächelte er schwach und wandte sich ab, um den Vorhang beiseitezuschieben, der Wohn- und Schlafraum voneinander trennte.
    » Ein Sohn wurde geboren«, verkündete er laut.
    Peter Siegel hatte drüben in heller Verzweiflung ausgeharrt, unfähig, die Qualen seiner Frau mit anzusehen. Jetzt starrte er fassungslos auf das Kind in Charlottes Arm, lobte jedoch nicht George, sondern Gott den Herrn in seiner Güte. Das Kind lag reglos in den Tüchern, doch die bläuliche Farbe war aus seinem Gesichtchen gewichen, es war jetzt rosig und vor allem– es atmete. Der Missionar, der keine Ahnung davon hatte, wie knapp sein Sohn dem Tod entgangen war, segnete den Kleinen mehrfach. Dann lief er zu Klara, beugte sich über die Schlafende und küsste ihre Stirn.
    » Sie ist so schrecklich blass– es geht ihr doch gut, oder?«
    » Es war eine schwere Geburt, Peter. Aber sie wird sich erholen.«
    George wollte drüben bei Peter schlafen, der jetzt versicherte, vor Freude kein Auge schließen zu können. Charlotte legte den Säugling in die kleine Kiste, die Klara als Kinderbett zurechtgemacht hatte, und kroch auf Peters Ehelager. Sie schaute noch einmal besorgt auf die schlafende Klara und löschte dann die Lampe. Klaras Atemzüge waren erschreckend flach. Charlotte nahm

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