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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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sie habe einen Tritt wie ein Ackergaul–, ganz sicher holte sie ihren hellen Sommerhut, um sich vor der Sonne zu schützen. Gleich darauf schob Paul die Küchentür ein Stückchen auf und streckte den Kopf hinein.
    » Wir zeigen George den Plytenberg– möchte jemand von euch mitkommen?«
    Er sah dabei Marie und Charlotte an, aber natürlich waren seine Worte an alle Anwesenden gerichtet. Die Großmutter meinte kopfschüttelnd, bei solchen Temperaturen könne sie auf den weiten Weg leicht verzichten und außerdem sei hier im Haus noch einiges zu richten. Auch Tante Fanny und Tante Edine lehnten ab, mahnten jedoch, bis spätestens vier Uhr zum Kaffeetrinken im Garten zurück zu sein.
    » Wir sind pünktlich– George hat eine Taschenuhr, die geht auf die Minute genau und zeigt sogar die Mondphasen an. Was ist mit euch beiden?«
    Marie legte die Bestecke, die sie gerade abtrocknete, samt dem Küchentuch auf den Tisch und fasste Charlotte am Arm.
    » Natürlich kommen wir mit. Wir holen nur unsere Hüte, damit wir nicht braun wie die Neger im Gesicht werden.«
    Charlotte ließ sich mit fortziehen, allerdings ohne die gleiche Begeisterung zu empfinden. Nun würde die Großmutter Klara für die Küchenarbeit einspannen, denn die konnte auf keinen Fall mit zum Plytenberg. Vielleicht hätte sie den Weg sogar geschafft, aber dann hätten alle auf sie warten müssen, weil sie so langsam humpelte, und das wollte Klara auf keinen Fall.
    » Was wollt ihr denn auf dem Plytenberg?«, nörgelte Charlotte im Flur. » Da ist doch nichts zu sehen, nur ein paar alte Steine.«
    Marie hatte schon ihren Strohhut aufgesetzt und band ihn mit einer Schleife unter dem Kinn fest.
    » Es ist auf jeden Fall besser, als im Garten herumzusitzen. Es wird bestimmt lustig, und wir werden eine Menge Leute treffen.«
    Gerade das fand Charlotte überhaupt nicht lustig. Sie hasste die Sonntagsausflüge, bei denen man immer Bekannte grüßen musste, bei ihnen stehen blieb und allerlei belangloses Zeug redete. Aber dieser Tag war sowieso ein verlorener. Das einzig interessante Gespräch hatte man ihr abgeschnitten, und auch über Marie hatte sie sich ärgern müssen. Da die Großmutter die Tanzerei nun erlaubt hatte, würde ihr nichts anderes übrigbleiben, als am Abend die albernen Stücke aus Maries ausgeliehenen Noten zu spielen.
    » Willst du denn nichts auf den Kopf setzen?«, fragte Marie erstaunt.
    » Warum sollte ich?«, gab Charlotte patzig zurück.
    Die Cousine zuckte die Schultern und lief zur Haustür. Die anderen warteten bereits draußen auf der Straße. Als sie die Tür aufzog, drang gleißendes Sonnenlicht in den dämmrigen Flur, und Charlotte erblickte die Konturen von Maries Gestalt wie einen zierlichen Schattenriss vor dem hellen Hintergrund. Für einen Augenblick beneidete sie die Cousine um diese nahezu perfekten Körperlinien, die eng geschnürte Taille, die schön geformte Büste, den weichen Schwung des samtbesetzten, dunkelgrünen Rockes. Alles passte zusammen, als stammte es aus einem Modejournal, und doch wirkte Marie niemals gestelzt wie Ettje in ihrem engen Korsett, sondern bewegte sich natürlich und anmutig.
    Paul machte den Anführer, da er sich am besten auskannte. Geschickt suchte er die passenden Wiesenwege zum Plytenberg aus, der auf der anderen Seite des Ortes lag, denn niemand hatte Lust, durch die Stadt zu gehen. Marie und Menna hielten sich an Georges Seite; Ettje, die in ihrem neuen Korsett fürchterlich schwitzte, musste sich mit Cousin Henrich begnügen, und Charlotte ging einsam als Schlusslicht hinterdrein. Ab und an mussten sie einen schmalen Graben überwinden, dann postierten sich Paul und George breitbeinig über dem Hindernis, um den Mädchen beim Hinüberspringen behilflich zu sein. Es gab viel Gelächter und Gekreische, man fasste sich bei den Händen, und die Röcke flogen im Sprung in die Höhe, was aber keines der Mädchen zu stören schien. Nur Charlotte verschmähte die Bemühungen der beiden Kavaliere, suchte sich selbst eine passende Stelle aus und sprang ohne Hilfe. Ohnehin war wegen der Trockenheit kaum Wasser in den Gräben– es war ihr völlig unverständlich, dass so viel Theater darum gemacht wurde.
    Wie sie bereits befürchtet hatte, war der mickrige Hügel, den man den Plytenberg nannte, von zahlreichen Sonntagsausflüglern besetzt. Kinder und junges Volk liefen barfuß über die Wiese, hockten oben auf den Mauerresten oder legten sich ins Gras, um seitlich hügelabwärts zu rollen, weil

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