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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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fühlte sich ermutigt weiterzusprechen. Dabei drehte er Grashalme in den Fingern und starrte an ihr vorbei Richtung Stadt, über der jetzt die Mittagssonne stand.
    » Meine Eltern erwarten, dass ich die Arztpraxis meines Vaters in London übernehme. Dagegen habe ich im Grund auch nichts einzuwenden, der Beruf des Mediziners gefällt mir, ich halte das für eine gute und sinnvolle Arbeit. Und doch weiß ich, dass ich zuerst meinen Träumen folgen muss. Wenn ich es nicht tue, werde ich es mein Leben lang bereuen.«
    » Deinen Träumen folgen? Was bedeutet das?«
    » Ich werde England verlassen.«
    Voller Ehrfurcht sah Charlotte ihn an. Der Wille der Eltern, der Großeltern, war eisernes Gesetz, so hatte sie es gelernt. Sich diesem Zwang zu verweigern und eigene Wünsche zu verwirklichen, wäre in den Augen ihrer Großeltern Hoffart gewesen und somit eine schwere Sünde. Und doch wollte George genau dies tun– wie mutig er war.
    » Wohin wirst du reisen?«
    Er lächelte sie an, und die Begeisterung in seinen grauen Augen verzauberte sie.
    » Es klingt vielleicht irrsinnig– aber ich habe eine große Sehnsucht nach der Wüste«, sagte er leise, als verrate er ein Geheimnis. » Ich habe zahlreiche Bücher und Berichte gelesen und kriege diese Bilder nicht mehr aus dem Kopf. Ich will die klaren Sterne am schwarzen Nachthimmel über der Sahara sehen. Auf dem schwankenden Rücken eines Kamels durch Sanddünen reiten, die sich wie rote, erstarrte Meereswogen eine an die andere fügen. In glühender Sonne meinen Weg gehen, vorüber an bizarrem, schwarzem Felsgestein, um mich herum eine unendlich weite, schweigende Landschaft, fremd, voller tödlicher Gefahren und zugleich ein Spiegel meiner selbst…«
    Er hielt inne und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, als wolle er seine Gedanken fortwischen. Dann fuhr er fort: » Ich rede so dahin– wahrscheinlich findest du das alles ziemlich abgeschmackt.«
    » Nein«, murmelte sie. » Du… du kannst das alles so wunderbar beschreiben. Ich sehe es vor mir, als wäre ich dort.«
    Eine Mauer zerbarst in ihr. Zum ersten Mal in ihrem Leben traf sie einen Menschen, der das Gleiche empfand wie sie selbst. Stockend begann sie, von ihren Phantasien zu erzählen, von den Wolken, mit denen sie reisen wollte, von den fernen Landschaften, die in ihrem Kopf auftauchten, voller Farben und Töne, voller Wärme, voller Leben.
    » Wenn ich die Augen schließe, sehe ich blaugrüne Wellen an einen Strand rollen, wo sie zu schaumigen Teppichen auslaufen, die einen an den Füßen kitzeln, wenn man über den Sand läuft. Ich erblicke hohe, zerklüftete Felsen, von fremdartigen Pflanzen bewachsen, und darüber den Himmel, klar, dunkelblau und so tief, als würde er nirgendwo enden…«
    Nein, sie wusste nicht, woher sie solche Träume nahm. In den Journalen von Kantor Pfeiffer waren Fotografien abgebildet, manchmal auch bunte Zeichnungen, doch keine davon hatte die gleiche Leuchtkraft wie ihre Phantasien.
    » Es ist so stark, dass ich oft glaube, nur meine Flügel ausbreiten zu müssen, um dorthin zu gelangen. Aber dann weiß ich plötzlich, dass ich gar keine Flügel besitze, ja, ich habe nicht einmal Füße…«
    Ihr Herz hämmerte, ihr Atem stockte, und sie konnte nicht weitersprechen. Es war, als schieße ein lange aufgestauter Sturzbach aus ihr heraus, über dessen Gewalt sie selbst erschrak. Zugleich spürte sie jedoch, dass ihre Worte schrecklich einfältig, ja kitschig klangen und das, was sie tief in ihrem Inneren empfand, nicht mal ansatzweise wiedergaben. Hilfesuchend blickte sie George an und war erleichtert, als sie sah, wie ernst er geblieben war.
    » Ich wusste es«, sagte er. » Als ich dich heute das erste Mal sah, wusste ich sofort, dass es auch in dir ist. Aber ich ahnte nicht, wie sehr es dich umtreibt, Charlotte.«
    Er beugte sich zu ihr hinüber, um sacht seine Hand auf ihren Arm zu legen. Die Berührung war schön und trostreich, seine grauen Augen blickten voller Anteilnahme.
    » Weißt du was? Wenn ich erst in Übersee bin und meinen Platz dort gefunden habe, dann werde ich dich…«
    » George?«, rief eine fröhliche Stimme. » He, George– wo hast du dich verkrochen?«
    Er hob den Kopf, ohne seinen Satz zu beenden, und blickte Marie entgegen, die über die Wiese auf sie zugelaufen kam. Plötzlich war alle Ernsthaftigkeit aus seinen Zügen verschwunden, das unbefangene, so charmante Lächeln des englischen Studenten umspielte wieder seinen Mund, und seine Augen waren heller

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