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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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denn je zuvor, als er jetzt Marie betrachtete.
    » Ach, du Armer!«, seufzte sie theatralisch. » Wir sind wirklich ganz schreckliche Gastgeber! Amüsieren uns und bemerken nicht einmal, wenn uns der Gast abhandenkommt. Ich hoffe, du vergibst uns, George!«
    » Darüber muss ich erst nachdenken, Jungfer Marie.«
    Sie kicherte und erwähnte dann, dass es schon halb vier sei, sie müssten an den Heimweg denken. Die Großmutter sei außerordentlich streng, was die Essenszeiten betraf, gewiss sei der Kaffee schon gekocht und der Kuchen geschnitten.
    Auf dem Rückweg kümmerte sich George nicht mehr um Charlotte. Stattdessen trieb er ausgelassene Scherze mit Ettje und Menna, diskutierte eifrig mit Henrich über den Sinn des Theologiestudiums und regte schließlich sogar einen kleinen Wettlauf zwischen den jungen Männern an, bei dem zwei Zäune und ein Graben zu überwinden waren.
    » Was für Kindsköpfe!«, sagte Marie und lächelte.
    George gewann den Hindernislauf knapp vor Paul, Henrich wurde Letzter, was ihn jedoch nicht weiter störte– er war nicht ehrgeizig. Dafür hatte sich Paul einen Riss im Jackenärmel eingehandelt, als er über das hölzerne Gatter sprang, und es war vorauszusehen, dass Tante Fanny darüber in Zorn geraten würde, denn diese Stelle ließ sich nur sehr schwer flicken.
    Charlotte hatte den Wettkampf mit klopfendem Herzen beobachtet, und sie ertappte sich dabei, dass sie George inbrünstig den Sieg wünschte. Was hatte er ihr wohl sagen wollen, bevor Marie zu ihnen stieß? Es schien ihr etwas ungeheuer Wichtiges zu sein, etwas, das ihr ganzes Leben hätte verändern können. Aber sie brachte nicht den Mut auf, ihn danach zu fragen. Nicht, solange sie mit den anderen zusammen waren und er dieses heitere Gebaren an den Tag legte, das den anderen George, den, der ihre Sehnsüchte verstand und nachempfinden konnte, so vollständig verbarg.
    Das Kaffeetrinken im Garten erschien ihr gezwungen und steif, nur die vielen Wespen, die Kuchen und Plätzchen umschwärmten und die Tanten zur Verzweiflung brachten, belebten die Zeremonie. Weshalb musste man seine Gäste eigentlich so vollstopfen, sie immer wieder nötigen, noch ein Stück Kuchen, noch ein Plätzchen zu nehmen? Das ganze Jahr über wurde gespart, manchmal stand man hungrig vom Abendbrottisch auf– aber an Feiertagen, wenn Gäste zu bewirten waren, wurde geprasst. George saß jetzt neben dem Großvater. Charlotte konnte nicht hören, was die beiden miteinander redeten, doch manchmal, ganz selten, wanderten die grauen Augen zu ihr hinüber, blieben für einen kleinen Moment an ihr hängen, und dann glaubte sie, ein verständnisinniges Lächeln auf seinem Gesicht zu erkennen. Mehr nicht, aber dies allein erschien ihr schon sehr viel und führte dazu, dass ihre Wangen heiß wurden.
    Dann, als die Großmutter endlich die Erlaubnis gab, stürzten Cousins und Cousinen in die Wohnstube. Nippes und Lampen, Vasen und allerlei Krempel wurden in Sicherheit gebracht, Möbel gerückt, die Kommode aufs Sofa gestellt, das Klavier zum Fenster geschoben. In das Getümmel mischten sich aufgeregte Anweisungen der Tanten und hektische Aufschreie. Tante Fanny rettete ihren dreibeinigen Nähtisch vor der kommenden Zerstörung, Menna büßte einen silbernen Anhänger ein, der in einer Ritze zwischen den Dielen verschwand. Schließlich war alles bereit und Charlottes Schicksal für diesen Abend besiegelt.
    Es war schlimmer, als sie befürchtet hatte. Sie konnte nicht einfach drauflosklimpern, nein, sie musste warten, bis George die Tanzschritte erklärt hatte, die dann auch noch geübt werden mussten, und zu guter Letzt wollte man ihr vorschreiben, in welchem Tempo sie zu spielen hatte.
    » Nicht so schnell, ich komme durcheinander.«
    » Nicht so laut!«
    » Hör auf. Wir machen das noch mal von vorn!«
    Die Musik war schwungvoll, doch zugleich oberflächlich und banal, so dass Charlotte bald begann, eigene Zwischenteile zu erfinden, sie in die Musik einzufügen und wieder zu den Noten zurückzukehren. Klara, die nicht mittanzen konnte, hatte sich einen Stuhl neben Charlotte gerückt, um ihr die Seiten umzublättern, doch sie kam bald völlig durcheinander und ließ ratlos die Hände sinken.
    » Was spielst du da? Wo bist du jetzt?«
    » Ist doch egal!«, knurrte Charlotte.
    Sie blieben nicht unter sich– bald fanden sich Nachbarn ein, Freundinnen von Ettje, zwei Gymnasiasten, die einen kleinen Abendspaziergang unternommen hatten, und auch der unvermeidliche

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