Himmel über dem Kilimandscharo
geführt, doch dort war jetzt kein Platz mehr, alles war neu eingerichtet worden, und er wollte Charlotte den Anblick der hässlichen, unordentlichen Geschäftspapiere ersparen.
Der Flur war duster und eisig kalt, er stolperte über einen Karton, in dem noch die letzten Reste der Weihnachtsdekoration verpackt waren, die der Lehrling eigentlich ins Lager hatte räumen sollen. Dieser Lehrling taugte nicht viel, bei jeder Kleinigkeit musste man ihn kontrollieren, sonst vergaß er die Hälfte. Charlotte hatte es ihm vorausgesagt, als er den Burschen vor Weihnachten einstellte. Er hatte sie ausgelacht– was verstand sie schon von Angestellten? Im Haus ihrer Großeltern hatte es nicht einmal Dienstboten gegeben. Aber sie hatte Recht behalten.
Das Treppenhaus lag in sanftem Licht, das durch die Glaseinsätze der Wohnungstür drang, und seine Stimmung hob sich. Er hatte viel zu lange dort in der Kammer bei den Büchern gesessen, das bekam ihm nicht, verdarb ihm die Laune und schuf trübe Gedanken. Überhaupt war er seit einiger Zeit viel lieber dort oben in seiner hübschen Wohnung als unten im Laden, wo er sich mit den Unzulänglichkeiten der Angestellten und dem Geiz der Kundschaft herumärgern musste.
» Charlotte?«
» Wir sind im Salon!«
Er nahm den wollenen Schal ab und wechselte die Jacke, um nicht den Mief des feuchten Ladenbüros in die Wohnung zu tragen. In Hausjacke betrat er den Salon und fand dort Charlotte mit Klara auf dem Sofa sitzend, über eines der vielen Bücher gebeugt, die er ihr geschenkt hatte.
Ihre Gestalt in dem hellen Kleid faszinierte ihn immer wieder aufs Neue; er liebte das üppige, schwarze Haar, das sie geflochten und aufgesteckt trug, wenngleich sich immer wieder kleine Löckchen herausstahlen. Sie ringelten sich an ihren Schläfen, über dem Ohr oder im Nacken und verliehen ihren Zügen einen bezaubernden, verspielten Ausdruck.
» Du hast es aber lange ausgehalten«, meinte sie, als sie von ihrem Buch aufsah. » Bist du denn fertig geworden?«
» Nun, für heute schon. Leider hört die Arbeit nie auf, wenn man ein Geschäft führt…«
Aufseufzend lehnte sie sich zurück und gähnte, dann zog sie das Tuch noch enger um die Schultern und legte das Buch zur Seite. Sie war blasser als gewöhnlich, das schwere, dunkle Haar ließ den Kontrast noch stärker hervortreten, Schatten lagen unter ihren Augen. Es rührte ihn, hatte er doch Anteil an diesem Zustand: Charlotte war seit einigen Monaten schwanger.
» Ich glaube, es wird Zeit für mich«, ließ sich Klara vernehmen. » Ich wünsche eine gute Nacht.«
» Gute Nacht, Klara. Süße Träume.«
Die obligate Umarmung der beiden Cousinen und die Gute-Nacht-Küsse erfolgten wie jeden Abend, dann nickte Klara ihm mit scheuem Lächeln zu und humpelte hinaus.
Sie war leise wie ein Mäuschen, diese kleine Cousine, die er in seinen Hausstand aufgenommen hatte. Ein Wesen, das die Begabung hatte, irgendwo im Raum zu sitzen, ohne dass man es wahrnahm. Im Grunde ein rührendes Ding; sie hatte ihm kleine Geschenke gemacht, Taschentücher mit seinem Monogramm bestickt, ein hübsches Kästchen für seine Manschettenknöpfe aus Seidenröllchen hergestellt. Dennoch bereute er seine Großzügigkeit inzwischen, denn Klara störte seine Zweisamkeit mit Charlotte. Auch jetzt, da er sich neben ihr auf dem Sofa niederließ und den Arm um sie legte, waren sie nicht gänzlich miteinander allein, Klara war wie ein Schatten, der Charlotte anhaftete und der untrennbar mit ihr verbunden war.
» Wie geht es dir heute, mein Herz?«
» Ganz gut. Ein wenig Übelkeit noch, aber nicht mehr so schlimm wie zu Anfang.«
Er zog sie dichter an sich und küsste ihre Wange. Ihre Haut war zart und kühl, er atmete den Duft ihres Haars ein und versuchte, seine Lippen auf ihren Mund zu pressen, doch sie entzog sich ihm.
» Ich bin dein Ehemann, Liebes. Kein böser Verführer«, scherzte er. » Du darfst mir nicht vorenthalten, was mein ist.«
» Nicht heute… Mir ist nicht gut, und es könnte auch dem Kind schaden.«
» Es wird dem Kind gewiss nicht schaden, wenn ich dich küsse.«
Sie gab nach, überließ sich ihm für eine kleine Weile, ertrug seine Zärtlichkeiten, erwiderte sie sogar, wie er es ihr beigebracht hatte, als er aber die Häkchen ihres Kleides öffnen wollte, wehrte sie sich. Er unternahm noch einige schwache Versuche, sie zu verführen, doch im Grunde wusste er bereits, dass sie nicht fruchten würden, und so gab er schließlich auf.
Es war schade,
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