Himmel über dem Kilimandscharo
er hatte sich von den Nächten mit ihr sehr viel mehr versprochen. Gewiss nicht gleich in der Hochzeitsnacht, da waren alle anständigen Frauen noch ahnungslos und stellten sich an, als wolle man sie umbringen. Aber sie hatte auch auf seine späteren Bemühungen kaum reagiert, keinerlei Feuer oder Leidenschaft gezeigt, und wenn sie auf seine Wünsche einging, so tat sie es nur, um ihm einen Gefallen zu erweisen. Insgeheim verfluchte er die sittenstrenge Erziehung der protestantischen Großmutter, die Charlotte ganz offensichtlich verdorben hatte. Kein einziges Mal hatte sie sich bisher nackt vor ihm gezeigt, sie kleidete sich hinter dem Wandschirm an und aus, und in den Nächten trug sie lange, spitzenbesetzte Gewänder. Dabei konnte er seine Begierde kaum beherrschen, diese exotische Schönheit ganz und gar unbekleidet und mit aufgelöstem Haar vor sich zu sehen.
» Zeig mir doch einmal, was ihr beiden da gerade angeschaut habt. Habe ich dir dieses Buch nicht aus Bremen mitgebracht?«
Sie schien erleichtert, dass er ihr die Zurückweisung nicht nachtrug, und hob das Buch eilig auf ihren Schoß. Tatsächlich, er erkannte es wieder, ein Werk über die Entwicklung der Schifffahrt von den Anfängen bis hin zu den modernen Postdampfern. Sie schlug einige Seiten um und begann, ihm die Takelage eines Dreimasters zu erklären, redete von Masten, Wanten, Spieren und Schoten, schilderte genau, wie die verschiedenen Taue arbeiteten und wozu sie gebraucht wurden. Christian Ohlsen war kein Mensch, der den Dingen auf den Grund ging, dennoch hörte er ihr geduldig zu, obgleich er kaum etwas begriff. Er erfreute sich an ihrer Lebhaftigkeit und den raschen Augenaufschlägen, wenn sie immer wieder zu ihm hinschaute, um festzustellen, ob er auch aufmerksam war. Wie goldener Bernstein konnten diese Augen im Licht der Lampe aufleuchten– schade, dass sie diese Leidenschaft in derart überflüssiges Zeug investierte, anstatt sie für sinnvollere Dinge aufzubewahren.
» Wenn du willst, kaufe ich dir eines dieser hübschen Schiffsmodelle aus Holz, die wir in Bremen gesehen haben. Würde dir das Freude machen?«
Sie lehnte sich zurück und atmete einige Male tief ein und aus– die über das Buch gebeugte Körperhaltung schien ihr nicht gut zu bekommen.
» Wenn du mir eine Freude machen willst, dann könntest du Paul ein wenig unterstützen. Er steht kurz vor dem Examen und braucht ein paar juristische Bücher…«
» Paul!«, knurrte er unzufrieden. » Glaubst du wirklich, dass er seine Abschlussexamina schaffen wird?«
» Er bemüht sich redlich, Christian.«
Er war unentschlossen. Einerseits wollte er ihr den Wunsch nicht abschlagen, andererseits war er ärgerlich darüber, dass man Charlottes Mitgift angetastet hatte, um Paul studieren zu lassen. Diesen Missstand hatte er gleich nach der Hochzeit beendet, nun verwaltete er das Vermögen seiner Frau, und das Kapital wurde im Geschäft dringend gebraucht. Paul war kein übler Bursche, er hätte wohl einen guten Handwerker oder vielleicht auch einen Kaufmann abgegeben– aber zu einem Juristen taugte er nach Christians Meinung nicht. Das war nur dem verdammten Ehrgeiz seiner Mutter zuzuschreiben.
» Wir werden sehen, Charlotte. Momentan stehen wieder einige Bestellungen an und auch eine Fahrt nach Bremen, um Waren einzukaufen. Da muss ich mit unserem Geld haushalten.«
» Wirst du mich mitnehmen, wenn du nach Bremen fährst?«
» Liebes– in deinem Zustand solltest du besser zu Hause bleiben.«
» Aber es geht mir gut«, protestierte sie voller Eifer. » Höchstens die Langeweile macht mich krank. Ich kann doch nicht den ganzen Tag über lesen oder Klavier spielen.«
Wieder legte er vorsichtig den Arm um sie und streichelte ihre Schulter. Sie war zart und ein wenig knochig, wie eine Halbwüchsige, und das gefiel ihm, fachte seine Begierde an– er liebte dieses Kindhafte, noch nicht ganz Erwachsene an ihr. Es war nur zu hoffen, dass die Mutterschaft ihren Körper nicht allzu sehr verändern würde, sie hatte aufreizende Brüste, fest wie kleine, spitze Halbkegel, und einen flachen Bauch.
» Du kannst unsere Wohnung hübsch einrichten, ein wenig nähen oder sticken, deine Damenkränzchen besuchen oder– und das würde mir am besten gefallen– dich für mich schön machen. Was ist mit all den Kleidern, den Hüten und dem Modetand in deinen Schränken? Die goldene Halskette mit den roten Steinen, die ich dir zu Weihnachten geschenkt habe, hast du noch kein einziges Mal
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