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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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Es tut uns sehr leid, Sie zu dieser frühen Stunde stören zu müssen, Frau Ohlsen. Aber das Mädchen sagte uns, Ihr Ehemann sei abwesend…«
    Sundermann war um die fünfzig, klein und gedrungen. Seinen Schnurrbart pflegte er seit vielen Jahren mit einer Bartwichse, die seine Frau unten im Laden kaufte. Er hatte eine gute Position bei Bünting, dem Teehändler, und versah außerdem einige Ehrenämter in der reformierten Gemeinde…
    » Mein Mann ist geschäftlich in Bremen, Herr Sundermann. Er wird morgen um die Mittagszeit wieder in Leer eintreffen. Aber nehmen Sie doch bitte Platz, vielleicht kann ich Ihnen ja inzwischen behilflich sein?«
    Keiner der drei Männer machte Miene, ihrer Aufforderung zu folgen, stattdessen wechselten sie bedeutungsvolle Blicke. Charlotte vermutete, dass Sundermanns Begleiter höchstens Gerichtsdiener oder Schreiberlinge waren; Paul hatte erzählt, dass diese Leute sich gern aufspielten, im Grunde aber nichts zu sagen hatten.
    » In Bremen. Geschäftlich…«
    » Wie ich gerade sagte…«
    Sie musste die aufsteigende Panik verbergen. Weshalb dieses merkwürdige Benehmen? Diese Grabesmienen? Die Erinnerung an das Gesicht des Großvaters war plötzlich wieder da, damals, vor zwölf Jahren, als sie in seinem Arbeitszimmer stand…
    » Ist meinem Mann… etwas zugestoßen? Bitte schonen Sie mich nicht, ich will es wissen.«
    » Das wollen wir doch nicht hoffen, Frau Ohlsen.«
    Sundermann betonte jedes Wort dieses Satzes. Man vernahm jetzt Lärm auf der Straße, jemand rüttelte an dem Gitter vor der Ladentür, unwillige Rufe tönten nach oben. Charlotte ging an den Besuchern vorbei zum Fenster und schob die Gardine beiseite.
    » Was ist los?«, rief sie aufgeregt. » Was wollen all diese Menschen? Weshalb stehen sie vor dem Laden?«
    » Sie wissen es also nicht, Frau Ohlsen?«
    Es lag ein Quäntchen Mitgefühl in Sundermanns Stimme, er presste die schmalen Lippen zusammen und strich mit der Hand über den Schnurrbart.
    » Ich habe keine Ahnung, meine Herren. Würden Sie mich bitte aufklären?«
    » Es ist mir sehr unangenehm, Frau Ohlsen, aber wir sind gekommen, um das Gebäude zu versiegeln. Das Konkursverfahren gegen Ihren Ehemann wurde vor zwei Monaten eröffnet, und meine Wenigkeit wurde als Konkursverwalter berufen.«
    Sie begriff nichts, doch sie spürte, wie ihre Beine zu zittern begannen. Konkurs war etwas Schlimmes. Sie hatte ja immer geahnt, dass Christian zu verschwenderisch einkaufte, viel zu hoch hinaus wollte mit seinen Plänen…
    » Sie haben eine halbe Stunde Zeit, um einige persönliche Dinge zusammenzupacken. Wertsachen, die von den Mitteln Ihres Ehemannes gekauft wurden, gehören in die Konkursmasse. Ich muss Sie darauf hinweisen, dass Sie sich strafbar machen, wenn Sie Schmuck oder andere Wertgegenstände unterschlagen…«
    Mit einer plötzlichen Bewegung wandte sie sich vom Fenster ab und blickte den Männern ins Gesicht. War das ein boshafter Scherz? Wollte man sie einschüchtern, um Geld von Christian zu erpressen?
    » Aber… das ist doch lächerlich.«
    Sundermann winkte einem der Gerichtsleute, der ein Papier aus seiner Aktentasche zog und es Charlotte reichte. Die Worte » Gerichtsbeschluss«, » Konkursverfahren«, » Veräußerung der Konkursmasse« tanzten vor ihren Augen auf und ab. Das war kein Scherz, amtliche Schreiben scherzten nicht– das war bitterer Ernst.
    » Persönliche Gegenstände, die Sie nachweislich mit in die Ehe gebracht haben, können Sie unter Umständen beanspruchen, darüber wird das Gericht entscheiden. Vorläufig verbleibt alles in der Wohnung, bis der Wert geschätzt wurde, damit man die Sachen später versteigern kann…«
    Jetzt erst wurde ihr das ganze Ausmaß der Katastrophe bewusst. Man nahm ihnen alles: das Haus, die Möbel, ihre Bücher, die Noten… Wie Bettler würde man sie auf die Straße setzen, den vielen Leuten dort unten zum Fraß vorwerfen, die ganz sicher gekommen waren, um sich an ihrer Schande zu weiden.
    » Setzen Sie sich, Frau Ohlsen. Wir sind keine Unmenschen, aber dem Gesetz muss Genüge getan werden. Ihr Mann hat zahllose Geschäftsleute hintergangen, die genaue Summe seiner Schulden ist noch gar nicht abzusehen, vor allem deshalb, weil er die Handelsbücher nicht ordentlich geführt hat…«
    Wie betäubt ließ sie sich zu einem Sessel führen, merkte kaum, dass Klara, die sich inzwischen angekleidet hatte, den Salon betrat und schluchzend die Arme um sie legte. Nur am Rande nahm sie wahr, dass Sundermanns

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