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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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eine dumme, kindliche Schwärmerei, die ihr Kummer bereitet hatte und die inzwischen längst vergessen war. Was sie heute miteinander verband, war eine Art Seelenverwandtschaft, sie teilten die gleiche Leidenschaft, verstanden einander und tauschten sich aus.
    Sie las den Bericht zu Ende, betrachtete eingehend die Zeichnungen, die, anders als Klaras Bilder, sehr genau waren und viele Einzelheiten zeigten. Dann griff sie zur Feder und begann, den Text zu überarbeiten, machte auf einem gesonderten Blatt Vorschläge, um einige Details plastischer auszudrücken, strich Übertreibungen und Ungenauigkeiten an, stellte Verständnisfragen. Zwei Tage benötigte sie für diese Arbeit, dann schrieb sie einen Brief dazu, lobte und ermutigte George, mit seinen Schilderungen fortzufahren, und fügte in heiteren Worten hinzu, wie sehr auch sie bedauere, nicht neben ihm zu sitzen, denn so könnten sie sich das Porto für die Briefe sparen.
    Als sie den Brief am folgenden Morgen zum Postamt trug, kam ihr der seltsame Gedanke, dass dieser nun auf die Reise gehen durfte, während sie selbst zurückblieb. Es gab Träume, die man leben konnte, das hatte George bewiesen. Es gab aber auch solche, die für immer ausgeträumt waren.

November 1895
    Sie schlief noch, als die Glocke an der Wohnungstür schellte– einmal, zweimal–, dann schlug jemand mit der Faust gegen die Tür. Klara neben ihr fuhr erschrocken aus den Kissen.
    » O Gott!«, stöhnte sie. » Es wird doch drüben in der Ulrichstraße nichts passiert sein?«
    Es war schon nach acht Uhr. In den Ritzen der Fenstervorhänge stand das fahle Morgenlicht eines trüben Novembertages. Trübe auch deshalb, weil der Brief von George schon seit Wochen überfällig war.
    » Lass das Mädchen die Tür öffnen!«
    Charlotte griff nach ihrem Morgenrock und zog ihn übers Nachthemd. Als sie die Vorhänge zurückzog, füllte sich der Raum mit bleigrauem Licht. Es regnete in Strömen, dennoch standen unten in der Pfefferstraße eine Menge Leute, die offensichtlich darauf warteten, dass der Laden geöffnet wurde.
    Die Schelle ging mehrfach hintereinander in kurzen Abständen, man hörte das Mädchen durch den Flur laufen und dabei leise schelten.
    » Ist das eine Art, am frühen Morgen über die Leute herzufallen? Ich komm ja schon…«
    Charlotte half Klara in den Morgenrock, steckte eilig ihr Haar auf und redete dabei beruhigend auf die zitternde Cousine ein.
    » Es muss etwas Schreckliches passiert sein, Charlotte…«
    Männerstimmen im Flur, das Mädchen flüsterte untertänig, ließ jemanden in den Salon eintreten. Gleich darauf klopfte sie im Schlafzimmer an und öffnete die Tür einen Spaltbreit, ohne zuvor eine Antwort abzuwarten. Ihr breites, unschönes Gesicht sah verängstigt aus, wie immer, wenn etwas Unvorhergesehenes den normalen Tagesablauf unterbrach.
    » Es… sind amtliche Herren gekommen. Ich habe gesagt, dass Herr Ohlsen in Bremen ist, aber sie bestehen darauf, mit Ihnen zu sprechen. Die Sache dulde keinen Aufschub…«
    » Es ist gut, Anni. Sag den Herren, dass ich komme.«
    Charlotte schlüpfte in die Hauspantoffeln und zog die Bänder des Morgenrocks enger um die Taille. Wenn die Herrschaften sie in aller Frühe störten, würden sie mit ihrem Morgennegligé vorliebnehmen müssen. Es war ärgerlich, denn vermutlich handelte es sich um Leute, die Geld von Christian forderten, das kam in letzter Zeit immer häufiger vor, und sie hatte sich schon Gedanken darüber gemacht, ob Christian das Geschäft nicht allzu leichtfertig führte. Ein paar klärende Worte würden genügen, die Gläubiger abzuwimmeln; sie war mit den Geschäften ihres Mannes nicht vertraut und konnte leider nicht weiterhelfen.
    Ihre Vermutung war falsch gewesen. Die drei Herren, die mit ernsten Gesichtern und feuchten Gamaschen neben den Polstermöbeln standen, waren keine Händler. Einer von ihnen war Klaus Sundermann, der Ehemann einer Dame aus dem Liederkreis, die Charlotte gestern Abend noch unter Tränen versichert hatte, sie spiele schön wie ein Engel. Die anderen beiden kannte sie nur vom Sehen, aber sie waren beim Amtsgericht tätig, wo auch Paul inzwischen untergekommen war.
    » Guten Morgen, meine Herren.«
    Ihr freundlicher Gruß wurde erwidert, auf den Gesichtern der Männer spiegelte sich deutliches Unbehagen. Sie verspürte plötzlich ein beklemmendes Gefühl in der Brust. Weshalb diese Grabesmienen, diese merkwürdige Art, sie anzustarren, als müsse man tiefstes Mitleid mit ihr haben?
    »

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