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Himmel ueber Falludscha

Titel: Himmel ueber Falludscha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Dean Myers
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die Frage und die Iraker begannen alle auf einmal zu reden. Der Sergeant war am Funkgerät.
    »Sie sagen, es gehört ihrem Onkel. Es ist hier seit dem Krieg gegen den Iran«, sagte Ahmed. »Keiner weiß, wie man das bedient.«
    Der Sergeant wiederholte in sein Funkgerät, was Ahmed gesagt hatte. Marla nahm das Rohr und roch daran. Sie reichte es dem Sergeanten weiter, der ebenfalls daran roch.
    »Tja, damit ist kürzlich erst geschossen worden«, sagte der Sergeant.
    Wir richteten unsere Waffen auf die alten Leute, während der Sergeant den Jungen durchsuchte. Er war wohl ein bisschen jünger als ich. Er redete arabisch und in gebrochenem Englisch.
    »Ich liebe Amerika! Ich liebe Amerika!«, sagte er.
    Ein weiterer Infanterist kam herein und sie begannen, das Haus auf der Suche nach weiteren Waffen auseinanderzunehmen. Der Sergeant wies uns an, den Jungen zu erschießen, wenn er sich bewegte.
    Die alte Frau begann zu weinen und zu betteln. Marla versuchte sie zu beruhigen. Dann nahm sie den Helm ab, damit man sehen konnte, dass sie eine Frau war. Die alte Frau wollte ihre Hand fassen und küssen. Marla wehrte das ab und versuchte, sie dazu zu bringen, sich hinzusetzen. Der Mann, grauhaarig und zahnlos, brabbelte vor sich hin. Mir war, als müsste ich aufs Klo.
    »Er sagt, er ist ein guter Junge. Er bekämpft niemanden«, sagte Ahmed.
    »Glaubst du ihm?«
    »Sie haben die Waffe gefunden«, meinte Ahmed schulterzuckend.
    Wieder stand die Frau auf.
    »Setzen!«, befahl Marla und bedeutete ihr mit der Hand, was sie wollte.
    Die Frau riss die Augen auf und fiel auf die Knie.
    Ahmed sagte etwas auf Arabisch zu ihr, was wohl »Setzen!« bedeutete, aber die Frau stand auf und holte ein Bild vom Küchentresen. Sie nahm es aus dem Rahmen und reichte es Marla. Ihre Hände zitterten, während sie weiter arabisch sprach.
    »Sie sagt, es ist ihr Enkel und er ist ein guter Junge«, übersetzte Ahmed, als sie immer weiterredete.
    »Bringt ihn raus!«, rief der Sergeant.
    Als wir den Jungen mitnahmen, stieß die Großmutter einen markerschütternden Schrei aus. Der alte Mann fielauf die Knie und begann zu beten. Auch das kleine Mädchen begann zu weinen. Als der Alte Anstalten machte aufzustehen, richtete ich mein Gewehr auf ihn, woraufhin er auf die Knie niedersank. Er hielt die Handflächen hoch und begann wieder zu beten.
    »Sag ihr, dass wir uns um ihren Enkel kümmern«, sagte Marla.
    Ahmed begann, auf die Frau einzureden, die an ihren Kleidern riss und fast hysterisch schrie. Als sie sah, dass Marla das Foto weglegte, stand sie auf und gab es ihr wieder.
    »Sie möchte, dass du an sie denkst, weil du eine Frau bist«, erklärte Ahmed.
    Wir gingen hinaus. Ich sagte Marla, sie solle ihren Helm wieder aufsetzen. Marla biss sich auf die Lippe, aber sie tat es. Die Jungs von der Dritten hielten den irakischen Jungen am Handgelenk und an den Haaren und führten ihn nach draußen. Als wir auf die Straße kamen, sprangen vier oder fünf weitere Infanteristen von dem Laster, auf dem sie saßen.
    Sie stießen den Jungen in den Dreck, als ein Offizier kam. Der Sergeant, der das Rohr gefunden hatte, erklärte gerade, was im Haus geschehen war, als plötzlich ein Schuss fiel.
    Der Bordschütze eines Humvee hatte den Schützen in einem Fenster im zweiten Stock entdeckt und eröffnete das Feuer. Ich sah, wie sein Gewehr durch die Luft flog und er die Arme hochriss, als er rückwärts in den dunklen Raum fiel.
    Der Junge am Boden sprang auf und begann zu rennen.
    Die ersten Kugeln aus dem Bord-MG wirbelten nur den Staub zu seinen Füßen auf. Die nächste Salve wirbelte ihn herum und der letzte Schuss warf ihn rückwärts zu Boden.
    Ein paar der Jungs von der Dritten gingen in das Haus, aus dem geschossen worden war. Zwei schwer bewaffnete Soldaten liefen zur Leiche des Jungen auf der Straße. Ich wollte ihn nicht sehen, aber wie unter Zwang ging ich zu der still daliegenden Gestalt hinüber.
    Der Körper des Jungen war zusammengekrümmt, der Kopf lag fast auf den Knien. Vorn auf seinem hellblauen Hemd war ein dunkler Fleck, und ein blutiges Dreieck breitete sich vor ihm auf dem Boden aus. Eine Hand war geschlossen, die andere geöffnet, die Finger leicht gespreizt. Ich spürte, wie ich den Atem anhielt. Ich richtete die Mündung meiner Waffe auf etwas anderes. Es war schwerer, meine Augen auf etwas anderes zu richten.
    Aus dem Haus kam die Großmutter gelaufen. Sie sah kräftiger aus als noch oben in der Wohnung. Ihr Mund stand offen, ein

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