Himmel ueber Falludscha
Antibiotika.
Ein paar Iraker standen nur schweigend daneben.
Sobald die Kinder sahen, dass die Erwachsenen mit den Sanitätern sprachen, überwanden sie ihre Scheu. Sie umringten uns, zupften an unserer Ausrüstung, bettelten um Süßigkeiten und versuchten manchmal nur, uns zu berühren. Ein Junge trug ein T-Shirt des Basketballspielers Derek Jeter von den Yankees. Das gefiel mir.
Ich versuchte, nicht zu dem Haus zu schauen, das wir durchsucht hatten. Immer wieder sagte ich mir, dass der Junge die Panzerfaust benutzt hatte; dass er versucht hatte, Amerikaner zu töten. Vielleicht hatte er sogar schon Amerikaner getötet und er war der Feind. Damit konnte ich irgendwie leben. Ich konnte im Kopf damit fertig werden, dass er tot war. Aber es war alles so schnell gegangen. In einem Moment war er noch lebendig und hatte Angst, und ich hatte mit ihm Angst und um ihn. Und dann war er tot. Ich war noch nie jemandem so nahe gewesen, der getötet worden war. Ich hatte den Jungen reden hören, hatte seine dunklen Augen umherblicken sehen. Dann sah ich, wie sein Körper auf der staubigen Straße zuckte, als ob er bereits davon getrennt worden wäre. Ich wollte nichts mehr denken.
Marla saß schon wieder am MG, als ich zum Humvee zurückging.
»Na, Marla, wie geht’s dir?«, fragte ich.
»Wenn du einen Bus nach Dix Hills, Long Island, siehst, halt mir einen Platz frei«, meinte sie. »Ich bin bereit, hier abzuhauen.«
»Das musst du mir nicht sagen.«
Wir fuhren natürlich nicht nach Hause. Wir zogen immer noch nach Norden Richtung Bagdad. Wir waren nicht an der vordersten Front und darüber war ich froh. Aber auch da, wo wir waren, war genug los, um die Spannung aufrechtzuerhalten.
»Wer sollen hier eigentlich die Bösen sein?«, erkundigte sich Jonesy, als er sich hinter das Steuer des Humvee klemmte. »Hier stehen Leute rum, die im einen Momentwie Zivilisten aussehen, und in der nächsten Sekunde ziehen sie die Waffen aus dem Schrank.«
Nach nichts sehnte ich mich mehr als nach meinem Bett. Ich war todmüde, als ob meinen Knochen das Mark entzogen worden wäre. Captain Coles kam und sagte uns, wir würden die Richtung ändern. Auch er schien reichlich nervös. Darcy war bei ihm.
»Wohin fahren wir?«, fragte Jonesy.
»Die 204. Sanitätseinheit bittet um Hilfe südlich von Nadschaf«, erwiderte Coles. »Das ist etwa hundertachtzig Kilometer nordöstlich von hier. Es gab dort schwere Kämpfe. Die Infanterie hat ein paar Verwundete und Tote. Ihre Sanitäter kümmern sich um die Infanterie und um die am schlimmsten verwundeten Iraker. Wir sollen die leichter verletzten Iraker versorgen.«
»Das machen wir?«, fragte ich, wusste aber sofort, dass wir es tun würden.
Coles sah mich an, drehte sich dann auf dem Absatz um und ging.
Das medizinische Team, das uns angegliedert war, bestand aus einem Arzt und einer Ärztin sowie zwei Assistenten. Sie schienen in Ordnung, sogar ziemlich engagiert, und sie kamen mit den irakischen Frauen und Kindern gut zurecht. Hinter ihrem Humvee zogen sie einen Anhänger her. Ich sah zu, wie sie ihn beluden.
»Wir sind zu schnell«, behauptete Marla. »Wie zum Teufel können wir durch diese Orte hindurchfegen und sie einfach hinter uns lassen, als seien sie keine Iraker und als würden wir ihr Land nicht besetzen?«
»Sieht auf dem Papier sicher alles gut aus«, meinte Jonesy.
Ich fragte Marla, ob ich sie am MG ablösen sollte.
»Werd bloß nicht unvorsichtig«, antwortete sie. Sie nahm einen Schluck aus ihrer Wasserflasche und schluckte schwer.
Auch meine Kehle war trocken. Das Wasser war warm, aber es fühlte sich gut in meinem Mund an, als ich mich hinter das MG hockte. Ich schüttelte die Schultern, um sie zu lockern. Solange wir unterwegs waren, hatte ich keine Angst. Nur wenn wir aus dem Fahrzeug ausstiegen und in den Dörfern herumliefen, kam ein anderes Gefühl auf.
Die zweite Gruppe, bei der Ahmed als Dolmetscher saß, fuhr voran, dahinter das Sanitätsteam, dann wir. Die ganze Strecke wurde angeblich von der Dritten kontrolliert. Ich konnte nur hoffen, dass es auch so war. Unser kleiner Konvoi aus vier Fahrzeugen machte sich auf den Weg. Darcy tauchte am MG der zweiten Gruppe auf und winkte. Jonesy maß den Zeitabstand zwischen den Fahrzeugen und fuhr auf die offene Straße.
Im Geschützturm fühlte ich mich verwundbar, als ob an jedem Gewehrlauf ein Auge wäre, das nach mir suchte. Und ich schämte mich für das, was ich dachte.
Ich wollte mich auf die Straße
Weitere Kostenlose Bücher