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Himmel ueber Falludscha

Titel: Himmel ueber Falludscha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Dean Myers
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Sache nicht sein. Das hatte ich in meinem Leben nicht gewollt, aber ich wusste, dass ich keine Wahl hatte. Ich sah, wie Jonesy mit einem der Kinder sprach. Er setzte sich hin, nahm seinen Helm ab und schlug langsam darauf. Und dann begann er, einen Blues zu singen. Das Kind hatte keine Ahnung, was Jonesy da machte, aber er schien den Gesang und den dunkelhäutigen amerikanischen Soldaten neben sich zu mögen.
    Ich sagte Hallo zu einem kleinen Mädchen, dessen Gesicht halb von einem Tuch verborgen war. Sie versuchte zu lächeln. Captain Miller hatte ihr eine Seite des Gesichts verbunden und ich sah, wie sie zusammenzuckte, als sich ihr Mund bewegte.
    Ahmed zog sich draußen die Jacke aus und half einem Mann, der offensichtlich ein Grab schaufelte. Wir warteten, bis es tief genug für einen kleinen Körper war, dann begannen wir einzupacken.
    First Lieutenant Maire war mit seinen Männern doch nicht abgezogen. Mit einer Zigarette im Mundwinkel beobachtete er, wie Captain Miller den einheimischen Frauen Verbandszeug und Schmerzmittel gab.
    »Woher wissen Sie, dass sich da draußen nicht ein Dutzend feindliche Angreifer verstecken, Captain?«, fragte ersie. »Woher wollen sie wissen, dass denen das Verbandszeug nicht direkt ausgeliefert wird?«
    »Ich weiß es nicht, Lieutenant«, antwortete Captain Miller. »Ist das nicht herrlich? Etwas zu tun – ohne andere Motivation als die Hoffnung, das Richtige zu tun? Ist das nicht wundervoll?«
    Auf dem Rückweg zur Basis bedankte sich Ahmed bei uns. Seine Kleidung war verdreckt und unter den Armen hatte er Schweißflecken vom Graben.
    »Hey, wir sind in derselben Armee, Mann«, erinnerte ihn Jonesy.
    Ahmed nickte, sagte aber nichts. So war es immer häufiger. Manche Dinge sprach man aus und andere nicht.
    Ich dachte an die Fedajin, die kleine Kinder zwangen, auf Marines zu schießen. Sie hatten Glück gehabt, dass sie nicht getroffen hatten und dass sich die Marines nicht ein paar Minuten Zeit genommen hatten, um die Gegend zu säubern, oder Luftunterstützung angefordert hatten, um das Gebäude zu bombardieren. Das Gesicht des Jungen mit der Brustwunde kam mir wieder in den Sinn. Ich fragte Captain Miller, ob eine Chance bestand, dass er es schaffen würde – sie hatte nur den Kopf geschüttelt.
    »Nein, er wird sterben«, sagte sie. »Wir haben hier nicht die Möglichkeiten, ihm zu helfen.«
    »Also lassen wir sie einfach sterben?«, fragte ich. »Auch wenn es nur Kinder sind?«
    »Auch wenn es Kinder sind«, erwiderte sie.
    Als ich ein Kind war, vielleicht acht oder neun Jahre alt, fragte ich mich, warum Gott das Innere der Menschen gemacht hatte. Warum hatte er sie nicht einfach massiv gebaut,sodass sie zwar das Gleiche tun konnten wie wir, aber nicht diese ganzen Kleinteile hatten: Venen, Arterien, Herzen und Dinge, die so leicht kaputtgehen konnten. Warum hatte er die Sache nicht einfacher gemacht?
    Aus der Ferne betrachtet, etwa vor dem Bildschirm, schien der Krieg eine einfache Sache: hier ein präzise markiertes Ziel, dann der stumme Einschlag einer Rakete. Hier war Gut und da war Böse und im Abstand dazwischen lag eine gewisse Beruhigung. Aber diese Gewissheit verwischte sich, je geringer diese Distanz wurde. Wenn man den Geruch und die Hitze eines einschlagenden Geschosses wahrnahm oder das sanfte Erzittern des Bodens unter den Füßen spürte, machte sich die ständige innere Unruhe bemerkbar.
    Ich hatte gesehen, wie Ahmed ein Grab für ein fremdes Kind schaufelte. Da war etwas, was Ahmed wusste, was wir alle wussten: Die Kinder gehörten zu uns allen. Das war die Botschaft, die das Herz uns zurufen wollte.
    »Marla, was glaubst du, wie fühlt es sich an, erschossen zu werden?« Jonesy hatte die Stiefel ausgezogen und die Füße in eine Schüssel Wasser gestellt. »Glaubst du, dass es sehr wehtut?«
    »Wir müssen es so einrichten, dass Birdy zuerst erschossen wird«, meinte Marla. »Er kann sich so gut ausdrücken. Er kann uns dann sagen, wie es sich anfühlt. Okay, Birdy?«
    Ich antwortete nicht, das tat Jonesy für mich. Er spielte auf der Oud, die er gefunden hatte, und sang ein Lied, das er den »Ich wurde erschossen und das tut höllisch weh« -Blues nannte.

Wieder in Bagdad. Man musste durch ein Labyrinth von
Betonbarrieren, wenn man ins Zentrum wollte. Eine private Baugesellschaft stellte überall Barrikaden auf. Unsere Unterkünfte waren okay.
    Die hochrangigen Iraker wurden von vielen privaten Sicherheitsfirmen beschützt. Sie waren meistens Weiße,

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