Himmel ueber Falludscha
beschissen?«
»Nicht, wenn Sie es jetzt wissen«, fand ich.
Captain Coles zuckte mit den Schultern, klopfte mir auf die Schulter und ging ins Bett.
Mir fiel ein, dass Jonesy gesagt hatte, man müsse den Überblick über das Spiel behalten. Ich kannte die Geschichten über die irakischen Polizisten, die wir ausbildeten: Sie waren zum größten Teil Schiiten, die nicht zögerten, überall in Bagdad Sunniten zu töten. Die Sache war nur die, dass das Töten für mich eine andere Bedeutung bekam. Es ist immer eine todernste Sache, einem Menschen das Leben zu nehmen. Es bedeutet, dass etwas Schreckliches passiert ist, dass irgendetwas so falsch gelaufen ist, dass es Menschen an den Rand der Vernunft gebracht hatte. Aber jetzt war ich selbst bereit zu töten, einfach weil ich Angst hatte, getötet zu werden. Ich war bereit, Menschen zu töten, die ich nie zuvor gesehen hatte, mit denen ich keinen Streit hatte und die mir möglicherweise gar nichts antun wollten. Aber ich hatte Angst – und deshalb war ich bereit zu töten.
Und jetzt, wenn ich hörte, dass Sunniten getötet wurden oder Bomben auf dem Marktplatz explodierten, konnte ich nur eines denken: Zum Glück bin ich es nicht, der auf dem Pflaster von Bagdad, Falludscha oder Mossul liegt, und es ist nicht mein Blut, das irgendwo außerhalb der Städte von der Straße weggewaschen wird.
Bilder schossen mir durch den Kopf. Pendletons Körper, im Tode unnatürlich verdreht, das Foto seiner Mädchen noch in seiner Tasche, ganz nah an seiner langsam kälter werdenden Haut. Die Körperteile des Marines auf der belebten Straße. Muslimische Frauen in Schwarz, die Händevor den Mund geschlagen, als wollten sie Schreie unterdrücken, die das Innerste ihrer Seelen preisgeben würden. Die Großmutter, die laut den Tod ihres Enkels beklagte.
Das Erstaunliche war die Beliebigkeit des Sterbens. Wenn man Amerikaner war, kam man vielleicht mit Bild in eine Tageszeitung. Wenn man an einem relativ ereignislosen Tag starb, sendete man vielleicht sogar Bilder der trauernden Mutter in einem 30-Sekunden-Spot. Als toter Iraker blieb man unerwähnt – es sei denn, man konnte als Aufständischer bezeichnet werden.
»Der einzige Tod, der etwas bedeutet, ist dein eigener«, hatte Jonesy gesagt.
Amen.
Wir blieben die nächsten beiden Wochen in der Grünen Zone. Für mich war das okay. Ich wollte nicht raus. Ich verrichtete eine Menge Routinearbeiten. Ich reinigte mein M-16 und putzte alle meine Uniformen, sogar meine Stiefel. Ich abonnierte die Musikzeitschrift The Source , um in der Musikszene auf dem Laufenden zu bleiben.
In dieser Zeit hatten wir nur einen einzigen Auftrag, nämlich einen Lkw mit Geschenken der Free-Will-Baptistenkirche aus Martinsburg in West Virginia zu entladen. Wir führten eine erregte Diskussion darüber, ob Salami aus Schweine- oder Rindfleisch bestand, entschieden uns für Schwein und behielten alle Salamis, die Kekse und die Schokolade für uns. Konservendosen, Spielzeug, Milchpulver und Zahnpasta gaben wir an die Iraker weiter.
Ein Stammesführer namens Hamid Faisal al-Sadah
beschwerte sich, dass die Koalition seine Leute nicht beschütze und dass viele seiner jungen Männer getötet worden seien, als sie nach Falludscha kamen. Ein PSYOP-Offizier von der Dritten sollte mit ihm reden, seine Beschwerde aufnehmen und zusehen, dass er vermitteln konnte. Wir sollten ihn unterstützen.
»Zur Sicherheit?«, fragte ich nach.
»Die Iraker fangen an zu respektieren, was wir getan haben«, erklärte Coles. »Der Major trägt die Verantwortung, und wir werden nur dabei sein und al-Sadahs Leute anlächeln. Captain Miller wird nachsehen, ob sie medizinische Hilfe brauchen, die wir ihnen geben können.«
»Und was soll das bitte schön heißen?« Miller hatte ihre Molle-Weste angezogen und ihr Kampfgesicht aufgesetzt. »Wir können ihnen keine normale Erste Hilfe anbieten, weil wir fürchten müssen, von ihren Kranken überrannt zu werden. Wir können ihnen keine Medikamente geben, bevor wir nicht über x-tausend Kanäle abgeklärt haben, dass die Medikamente nicht an die Aufständischen weitergegeben werden. Wir können sie auch nicht an die Krankenhäuserüberweisen, weil die Hälfte davon nicht in Betrieb ist. Was sollen wir also machen? Ihnen die Hand halten und sie Aspirin schlucken lassen?«
»Wollen Sie mich erschießen, Captain?«, erkundigte sich Coles. »Ich meine, wenn Sie sich dann besser fühlen …«
»Möglicherweise«, gab Miller zurück.
Sie
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