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Himmel ueber Falludscha

Titel: Himmel ueber Falludscha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Dean Myers
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weitergegeben.«
    Als wir länger darüber nachdachten, wurde uns klar, dass sie recht haben musste. Die Aufständischen hatten Zeit gehabt, die Sprengsätze an der Straße hintereinanderzuschalten und auf unseren Konvoi zu warten. Wir hatten zwar einen anderen Weg genommen als auf dem Hinweg, aber trotzdem hatten sie auf uns gewartet. Irgendjemand musste sie angerufen und ihnen unsere Route verraten haben.
    Als ich später allein im Dunkeln lag, musste ich an Pendletons zwei kleine Mädchen denken. Wie er darüber gesprochen hatte, sie aufs College zu schicken. Ich hatte nicht einmal hingesehen, als er ihre Bilder herumgezeigt hatte. Oh Gott, warum hatte ich das nicht getan?
    * * *
    Der Gedenkgottesdienst für Pendleton wurde zwei Tage später abgehalten, nachdem wir auf dem Flughafen von Bagdad einem Flugzeug hinterhergesehen hatten, das seine sterblichen Überreste fortbrachte. Früh am Morgen hatten wir erfahren, dass Saddams zwei Söhne bei einem Feuergefecht getötet worden waren. Reporter liefen herum, hielten den Soldaten Mikrofone vor die Nasen und bekamen die Antworten, die sie hören wollten. Al-Dschasira versuchte, die Sendungen mit der Diskussion darüber aufzupeppen, ob man die Leichen der Söhne zeigen sollte oder nicht.
    »Sie versuchen, es allen recht zu machen.« Evans nippte Kaffee aus einem Plastikbecher. »Ich wette, wenn sie mit Arabern sprechen, reden sie völlig anders.«
    Wie berichtet man richtig über einen Krieg? Eine fein säuberliche Namensliste in einer Lokalzeitung? Vielleicht ein Foto in der New York Times ?
    Es gibt keine Regel dafür. Es geht nur darum, wer stirbt und wer heil nach Hause kommt.
    Darcy kam mit einem Plastikbecher Kaffee. Sie hielt sich immer noch abseits, kam aber näher.
    Etwas später tauchte Coles auf und erzählte uns, dass Jonesy mit einem geschwollenen Kinn zurückkommen würde, Victor aber nicht.
    »Er wollte zwar unbedingt kommen, aber sie haben ihm befohlen, in ein Flugzeug zum Krankenhaus nach Ramstein zu steigen«, erklärte Coles. »Sie glauben, dass sie zwei seiner Finger retten können. Auf jeden Fall den Daumen. Das ist gut.«
    Das ist gut. Ich stellte mir Victor zu Hause auf der Straße vor. Würde das Leben auf der Straße weniger hart sein, weil er zwei Finger verloren hatte?
    Der Gedenkgottesdienst fand vor dem Zelt statt, das wir als Kapelle nutzten. Wir setzten uns in vier Reihen. In der ersten Reihe saßen die erste, zweite und dritte Gruppe, dahinter andere Mannschaften unserer Einheit. Auch ein paar Kameraden von der Dritten waren dabei. Miller weinte. Jonesy auch.
    Die Zeremonie war kurz. Pendletons Stiefel, sein M-16 und seine Kevlar-Weste lagen auf dem kleinen Altar. Während der Nationalhymne standen wir. Der Kaplan fragte, ob jemand etwas über Pendleton sagen wollte. Niemandwollte. Niemand kannte ihn so gut. Schließlich trat Coles vor und zog ein Stück Papier aus der Tasche.
    »Herr, erbarme Dich unser, wenn wir den Schmerz des Verlustes spüren und die endlose Leere des Dahinscheidens von Corporal Pendleton; und erbarme Dich unser, wenn wir uns selbst bemitleiden und an all die in die Ewigkeit eingegangenen Kameraden denken, mit denen wir uns verbunden fühlen. Lass uns den Tod fürchten, aber lass ihn nicht in unsere Herzen eindringen. Behüte uns, oh Herr, und gewähre uns Deine Gnade. Amen.«
    Der Kaplan sprach von der Notwendigkeit weiterzumachen. Diejenigen, die im Herrn Kraft fänden, könnten ihre Stärke erneuern und mit Adlerschwingen aufsteigen. Sie würden laufen, ohne müde zu werden. Sie würden marschieren, ohne Schwäche zu zeigen.
    Mir war, als müsste ich ohnmächtig werden.
    »Antreten zum letzten Appell!«
    Major Sessions trat vor. Sie hob ihre Liste und warf einen schnellen Blick darauf. »Pendleton!«, rief sie.
    Der Moment des Schweigens war niederschmetternd.
    »Corporal Phillip Pendleton!«
    Noch ein Moment der Stille, dann erfüllte der klagende Laut eines Horns das Zelt. Pendletons letzter Appell. Zwei Soldaten nahmen seine Abzeichen und legten sie vor seinen Waffen nieder.
    Die Zeremonie war vorbei. Wir gingen auseinander und nahmen die schwierige Aufgabe wieder auf, uns unter den Lebenden zu bewegen.
    Der Tag begann schlecht. Vom Fluss her drang ein Geruch herüber wie der Gestank der Verdammnis. Nichts warin Ordnung. Ich versuchte, Pendletons Anblick aus meinen Gedanken zu verbannen, aber das war unmöglich. Wer war er gewesen? Warum wusste ich nicht mehr über ihn? Warum hatte ich nicht neben ihm gesessen

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