Himmel ueber fremdem Land
Mund.
»Ich hätte da einen Plan … Dieser beinhaltet aber, dass ich die Lage und damit dich für meine Zwecke ausnutze, und das möchte ich nicht tun, wenn du nicht zustimmst. Die einzige Alternative wäre aber, dass du mich heiratest.«
»Ich kann auch von hier weggehen. Nach Hause.«
»Dein Vater hat einen Vertrag unterschrieben, der deine Anwesenheit in diesem Haus regelt. Und ich weiß nicht, inwieweit die Vormundschaft für dich auf deine Schwester oder auf Joseph übertragen wurde.«
»Das lässt sich rückgängig machen«, erwiderte Demy kämpferisch und fragte sich, ob sie sich an Lieselottes radikale Frauenrechtlerinnen wenden sollte. Aber in ihrer momentanen Situation konnte ihr ohnehin niemand helfen. Außer – Hannes vielleicht?!
»Dann lass deinen Plan hören.«
Der Kadett seufzte erleichtert auf, ergriff sie erneut an der Hand und zog sie zurück zu ihrem Stuhl, auf den sie sich schwer fallen ließ. »Mit Tillas Bitte um eine lange Verlobungszeit haben wir schon mal das Wichtigste gewonnen: Zeit.«
Demy nickte. Sie konnte sich denken, aus welchem Grund ihre Schwester auf diesem Teil der Abmachung beharrte. Selbst Tilla war nicht skrupellos genug, eine Vierzehnjährige zu verheiraten, ganz abgesehen davon, dass es schwierig werden könnte, ihr richtiges Alter vor einem Standesbeamten zu verschleiern. Allerdings wurde ihr bei Hannes’ Worten sehr schnell klar, was er damit gemeint hatte, sie für seine Zwecke ausnutzen zu wollen. Mit ihrer offiziellen Verlobung war das Thema Edith Müller erst mal vom Tisch. So konnte er sie weiterhin treffen und mit ihr Pläne für eine gemeinsame Zukunft schmieden. Wie genau diese Zukunftspläne aussehen sollten, wusste er offenbar selbst noch nicht, doch immerhin mussten sie ja nichts überstürzen.
Nach einer kurzen Denkpause erklärte Demy sich mit seinem Vorschlag einverstanden, vorerst nichts gegen die Pläne des Rittmeisters zu unternehmen. Und dies trotz der warnenden Worte, mit denen er ihr ehrlicherweise vor Augen malte, welchen Schaden ihr Ruf davontragen könnte, wenn sie als sitzen gelassene Verlobte galt. Ihr kamen diese Folgen allerdings weitaus weniger dramatisch vor, als eine Zweckehe mit Hannes eingehen zu müssen, so sympathisch sie ihn auch fand. Denn eines war ihr klar: Hannes liebte Edith von ganzem Herzen. Eine andere Frau würde keinen Platz darin finden, und eine Zweckheirat mit Hannes würde sie alle drei ins Unglück stürzen.
***
Als Demy sich von ihrem versöhnlich gestimmten und schon wieder erstaunlich gut gelaunten Verschwörer getrennt hatte, drängte sie sich zwischen den Gästen hindurch zu ihrer Schwester. Ohne darauf zu achten, dass sie Tilla mitten in der Konversation unterbrach, hängte sie sich bei ihr ein und zog sie ein paar Schritte beiseite.
»Wir sprechen uns noch, Schwesterherz!«, drohte Demy. Dem fragenden Blick ihrer Schwester begegnete sie mit wütend funkelnden Augen. »Ich gehe zu Bett. Solltest du Hilfe bei irgendetwas benötigen, kümmerst du dich gefälligst selbst darum oder fragst jemand anderen!«
Damit ließ sie ihre verblüffte Schwester stehen und floh aus dem bunten, lauten Trubel in die Zurückgezogenheit und den Schutz ihrer Kammer. In ihrem kleinen privaten Reich angekommen warf sie sich auf ihr Bett und vergoss bittere Tränen.
Wieso verfügte Tilla ständig mit der größten Selbstverständlichkeit über ihr Leben? Was dachte sie sich dabei? Niemand hatte das Recht, über ihren Kopf hinweg so lebensverändernde Entscheidungen für sie zu treffen! Wütend und verzweifelt zugleich boxte sie mit den Fäusten in ihr Kissen.
Erst viel später, in der Zwischenzeit hatte sie ihre Schwester nebenan zu Bett gehen hören, flüsterte sie in die Dunkelheit hinein: »Und falls Hannes seinem Vater gegenüber einknickt … ich tue es nicht. Ich gehe meinen Weg!«
Kapitel 26
Zwischen Tsondap und Empfängnisbucht,
Wüste Namib, Deutsch-Südwestafrika,
Juni 1908
Die zwischen den Zelten knisternden Feuer warfen ein schwaches, unruhiges Licht auf die Zeltplane, und in diesem sah Philippe, dass sich ihm eine weibliche Gestalt näherte. Erst als sie sich über ihn beugte, bemerkte er ihren unbekleideten Zustand. Philippe verharrte abwartend. Bei dem Eindringling konnte es sich nur um die eigentliche Bewohnerin des Zeltes handeln, die vielleicht etwas aus ihrem Besitz holen wollte.
Noch ehe Philippe irgendetwas tun konnte, lag das Mädchen schon auf ihm und presste ihren kindlichen Körper gegen den
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