Himmel ueber fremdem Land
einen Weg aus seiner und Ihrer Misere herauszufinden. Er ist ein netter Kerl und fast wie ein älterer Bruder für mich. Aber keinesfalls bedeutet er mir mehr als das.«
Wieder entrang sich Ediths Kehle ein Seufzen, das tief aus ihrer Seele zu kommen schien. Die Verzweiflung und den Schmerz, den diese Frau aus Liebe zu Hannes empfand, konnte Demy nur erahnen, zumal Edith weiterhin schwieg und mit leicht geneigtem Kopf darauf wartete, was das um viele Jahre jüngere Mädchen ihr noch mitteilen wollte.
»Hannes ist es nicht gewohnt, Entscheidungen seines Vaters zu unterlaufen oder ihnen offen zu widersprechen. Aber in Ihrem Fall wird er es tun. Sie sind es ihm wert! Haben Sie einfach ein wenig Geduld mit ihm. Und lassen Sie sich nochmals versichern, dass Ihnen von mir keine Gefahr droht.«
Ediths Schweigen dauerte an. Über den Köpfen der beiden Frauen, versteckt zwischen den Blättern der Buche, pfiff lauthals eine Amsel. Ein Pärchen spazierte an ihnen vorbei, umrundete Friedrich I. auf seinem Sockel und verließ anschließend die kleine Nische wieder, um zur nächsten Skulpturengruppe zu schlendern.
Demy ließ ihrer Begleiterin Zeit zum Nachdenken. Sie drehte sich noch weiter seitlich und fuhr mit den Fingern das Relief in der Rückenlehne der Marmorbank nach; die einzige weibliche Figur in der ganzen überladenen Puppenallee . Margarete hatte ihr verraten, dass diese betende Frau zu Füßen Friedrichs I. dessen Ehefrau, die brandenburgische Kurfürstin Elisabeth, darstelle.
»Ich danke Ihnen für dieses Treffen, Fräulein van Campen, und für Ihre ermutigenden Worte. Sie haben viel für uns gewagt. Das weiß ich als Frau vielleicht eher zu schätzen als Hannes. Sie könnten, falls Hannes sein Ziel erreicht, für lange Zeit als verschmähte Braut gelten.« Um Demy am Widerspruch zu hindern, hob Edith in einer sachten Bewegung ihre Hand. »Ich weiß überhaupt nicht, wie ich Ihnen dafür danken kann, ich möchte Ihnen gegenüber aber ehrlich sein: Noch bin ich mir meiner Entscheidung nicht sicher. Hannes hat mich, was seine Herkunft anbelangt, wohl gern ein wenig im Unklaren gelassen. Nicht mit der Absicht, mich zu täuschen, aber doch sehr bewusst. Dann fürchtete ich, er hätte mich Ihretwegen belogen und nun bin ich mir unsicher, ob Hannes sein Versprechen mir gegenüber in die Tat umsetzen kann. Das alles klingt nicht nach den besten Voraussetzungen für eine stabile, glückliche Beziehung, finden Sie nicht auch?«
Demy wiegte ausweichend den Kopf hin und her. Ihr gefiel diese Edith, weil sie nicht blindlings in ein Abenteuer hineinrannte – wie sie es selbst aller Wahrscheinlichkeit nach getan hätte. Sie fühlte jetzt schon mit Hannes mit, falls die Frau sich aufgrund der Vorkommnisse in den letzten Wochen gegen ihn entscheiden sollte.
Edith ergriff ihre Hände. Ihre Finger krallten sich in Demys. »Da ist dieser Mann wieder!«, stieß sie keuchend aus.
»Welcher Mann?«
»Seit dem Fest, auf dem ich auch Sie kennenlernte, verfolgt er mich.«
Nicht weniger erschrocken als Edith sprang Demy so eilig auf die Füße, dass ihr Rock um ihre Beine wirbelte.
Hannes hatte ihr von Ediths Verdacht berichtet, sie werde von einem vom Rittmeister gedungenen Mann beobachtet. Die Vorstellung, dass dieser sie sah, wie sie mit Hannes’ heimlicher Liebe sprach, behagte ihr überhaupt nicht. Sie trat nach vorn, bis sie direkt hinter dem verzierten Sockel der Skulptur stand, und spickte vorsichtig an ihr vorbei.
Unter der Baumreihe zwischen dem Flanierweg und der Straße bewegte sich ein Mann scheinbar ohne Ziel hin und her, doch da er sich im Schatten aufhielt, erkannte Demy wenig mehr als seine schmale, hochgewachsene Statur. Sie drehte sich zu Edith um. Mit schreckgeweiteten Augen saß diese noch immer neben dem Relief auf der Steinbank.
»Wenn er Sie mit mir gesehen hat, wird er eine Verbindung zwischen Hannes und unserem Gespräch heute herstellen, denken Sie nicht auch?«, fragte Edith stockend.
Demy blieb nichts anderes übrig, als ihr leise zuzustimmen, wobei ihr ein heißer Schauer über den Rücken rieselte. Sollte dem alten Meindorff zu Ohren kommen, dass Hannes die Verbindung zu Edith keineswegs abgebrochen hatte, ja dass sogar seine Verlobte in seine Heimlichkeiten involviert war, konnte dies ungeahnte Folgen für sie alle nach sich ziehen. Da wäre eine Entlassung aus ihrem Arbeitsverhältnis wohl noch wünschenswert; schlimm dagegen ein eiliges Vorantreiben der über ihre Köpfe hinweg geschmiedeten
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