Himmel ueber fremdem Land
Bevölkerung zeigte auch sie sich begeistert von diesen Flugzeugen. Die Zuschauergruppe beobachtete, wie Philippe sich zwischen den Befestigungsgestängen aus dem Sitz schälte. Inzwischen hatte Grade Philippe erreicht und schüttelte ihm kräftig die Hand.
»Kommt, lasst uns zu ihnen gehen«, schlug Sigrid vor, hängte sich bei Edith und Frida ein und marschierte mit ihnen davon.
Hannes zog eine Grimasse, ehe er den drei Damen folgte, deren Röcke über das noch feuchte Gras strichen. Beim Anblick dieses faszinierenden Flugzeuges und zweier tollkühner Männer, die sich todesmutig damit in die Lüfte zu erheben und frei wie die Vögel dahinzugleiten wagten, störten die Damen sich weder an verschmutzten Schuhen noch an durchnässten Rocksäumen.
Als Hannes am Flugzeug eintraf, hörte er, wie Sigrid flüsterte: »Ist er nicht einfach fabelhaft? Und diese schmucke Uniform aus diesem exotischen afrikanischen Land!«
Diesmal verdrehte Hannes die Augen und blickte an seiner blauen Uniform hinab. Von seinem Vater war ihm schon früh beigebracht worden, dass die gehobene Gesellschaft großen Wert auf eine militärische Laufbahn legte und ein angesehener Mann nur der war, der zumindest den Rang eines Leutnants vorweisen konnte. Philippe hatte ihm außerdem verraten, mit welcher Bewunderung Damen jeglichen Alters Männern in Uniform begegneten. Nun musste er feststellen, dass ein fliegender Uniformierter für das weibliche Geschlecht noch weitaus begehrenswerter war als ein bodenständiger, selbst wenn dieser einen hochmodernen Daimler fuhr.
Philippe blieb bei dem Dreidecker, während Grade sich den Zuschauern zuwandte. Er begrüßte die Damen, indem er seine Schirmmütze zog und dabei einen trotz seiner erst 30 Jahre bereits stark zurückweichenden Haaransatz offenbarte.
Gleich drauf schenkte er Hannes seine Aufmerksamkeit und strich mit einer Hand über seinen buschigen Schnurrbart. »Jetzt habe ich mit dem Bengel da drüben mehr Zeit zugebracht als mit Ihnen. Entschuldigen Sie bitte.«
»Ich wusste, Ihre Flugzeuge würden Philippe faszinieren; deshalb habe ich ihn ja mitgebracht. In dieser Zeit durfte ich mich mit diesen reizenden Damen unterhalten.«
»Ihr Freund ist ein Naturtalent, was das Fliegen anbelangt, zudem verfügt er über ein weitreichendes Wissen über Motoren. Ich habe ihm vorgeschlagen, Ingenieurswesen mit dem Schwerpunkt Maschinenbau zu studieren.« Grade gab ihm Grüße an Joseph mit und ließ sich dann von anderen Interessierten in ein Gespräch verwickeln.
Sigrid und Frida kamen näher und lauschten aufmerksam Philippes Erläuterungen zu dem Flugzeug.
In einigem Abstand hatte Edith geduldig auf das Ende von Hannes’ und Grades Unterhaltung gewartet, trat nun zu ihm und deutete lachend auf die Dreiergruppe bei dem Flugzeug. »Ich fürchte, Ihr Freund vergeudet seine Zeit. Weder Sigrid noch Frida oder ich wissen genug von Motoren und Flugmaschinen, um einen Bruchteil von dem zu verstehen, was er zu erklären versucht.«
»Ich denke fast, das stört ihn nicht.«
»Ja, den Eindruck gewann ich ebenfalls.« Edith musterte Philippe aus der Entfernung, wandte sich dann aber wieder Hannes zu. Dieser lächelte die ungewohnt ehrliche und deshalb bezaubernde Dame an.
Philippe gewann für gewöhnlich rasant die Zuneigung seiner Zeitgenossen und die Herzen der Damen noch viel schneller. Diese Tatsache hatte Hannes sich des Öfteren zunutze gemacht, sobald bei ihm das Interesse am weiblichen Geschlecht erwacht war.
Nur Demy, die er in ihrer fröhlichen Unkompliziertheit hinreißend fand, bildete eine Ausnahme. Um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, hatte er die Hilfe Philippes nicht benötigt, vielmehr sah es so aus, als hätten die beiden einen Kriegsschauplatz eröffnet. Ganz unzweifelhaft mochte Demy Philippe nicht, und auch die reizende Edith stand ihm anscheinend kritisch gegenüber, obwohl sie ihn nicht länger als ein paar Augenblicke kannte.
»Jetzt habe ich Sie verprellt«, sagte Edith und riss ihn dadurch aus seinen Überlegungen. »Es tut mir sehr leid. Manchmal bin ich einfach unmöglich direkt.«
Hannes musterte das rundliche, hübsche Gesicht der Frau, die trotz ihres guten Kleides ihre Zugehörigkeit zur Arbeiterschicht nicht verhehlen konnte, ebensowenig wie ihre für den derzeitigen Modegeschmack zu mollige Figur.
»Ehrlichkeit ist doch nichts Unehrenhaftes. Vielleicht wäre diese Welt noch ein klein wenig schöner, würden wir alle offener und ehrlicher miteinander umgehen«,
Weitere Kostenlose Bücher