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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
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ihm an die Gurgel gehen. Seinen Eindruck, diesen Mann von irgendwoher zu kennen, schob er als Unsinn beiseite. Doch beim Anblick der geballten Fäuste des Mannes fragte sich Hannes, wann und weshalb Philippe dessen Unwillen auf sich gezogen hatte.
    Plötzlich lachte Sigrid nahezu schrill auf, während Frida für einen Moment ihren Kopf an Philippes breite Schulter lehnte. Wurde die Wut des Mannes durch Sigrid oder Fridas Verhalten entfacht? Die Mädchen bemühten sich auffällig ausgelassen und beinahe aufdringlich um Philippe. Hatte eine der beiden vorher bereits mit dem Blonden angebandelt?
    Hannes beobachtete, wie dieser sich eine Zigarette anzündete, wobei seine kräftigen Hände zitterten, als könne er nur mühsam die in ihm brodelnde Wut unterdrücken. Noch immer taxierte der Kerl den ihm schräg gegenübersitzenden Philippe. Der war mittlerweile dazu übergegangen, Geschichten aus seinem Soldatenleben in der afrikanischen Kolonie zum Besten zu geben, und wie immer zog er rasch die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich.
    Im Laufe von Philippes Erzählung erhoben sich links von Hannes zwei Frauen und verabschiedeten sich. Mit einem erneuten Blick auf den wütenden Mann mit dem ausgebleichten Haar rutschte Hannes näher an die Ecke, sodass er neben dem Blonden zu sitzen kam. Es war weniger ein Beschützerinstinkt als vielmehr reine Neugierde, die Hannes dazu trieb. Er bat den Mann um eine Zigarette, obwohl er eigentlich nicht rauchte.
    »Danke. Karl Roth, nicht?«
    »Ja«, brummte sein Nachbar und schob ihm über die fleckige Tischplatte hinweg auch noch die Zündhölzer zu.
    Automatisch nahm Hannes das Briefchen in die Hand und drehte es im Kreis, wobei er jeweils mit den schmalen Kanten auf den Tisch tippte. »Ihr wohnt alle hier in Magdeburg?«, versuchte er erneut, seinen schweigsamen Nachbarn zum Sprechen zu animieren.
    »Die anderen schon. Ich früher.«
    »Und jetzt bist du zu Besuch hier?«
    »Urlaub.«
    »Urlaub vom Heer?« Ein Gespräch mit einem Mann zu führen, der deutlich zeigte, dass er in Ruhe gelassen werden wollte, erwies sich als ausgesprochen anstrengend.
    »Pflichtjahre.«
    Hannes zuckte zusammen, als der Kerl seinen Kiefer lautstark knacken ließ. »Und wo bist du stationiert?«
    Für einen kurzen Augenblick musterten ihn dunkle, im Licht der Deckenlampe funkelnde Augen, bevor sie sich wieder auf den lachenden Philippe richteten. Diese verbissene Fixierung auf seinen Freund ließ Hannes mulmig zumute werden. Hoffentlich eskalierte die undurchschaubare Situation nicht!
    »Windhuk.«
    Die Antwort kam zwischen zusammengepressten Zähnen hervor, weshalb Hannes ihn nur unter Mühe verstehen konnte. Eines jedoch war ihm jetzt klar: Philippe hatte nicht hier vor Ort das Missfallen dieses Kerls erregt, sondern irgendwann in den letzten Jahren während seines Einsatzes in der Kolonie Deutsch-Südwestafrikas. Und dabei erinnerte sein Freund sich ganz offensichtlich nicht an diesen Mann, denn er würdigte ihn keines Blickes. Allerdings trug Roth Zivilkleidung statt Uniform.
    Hannes überlegte fieberhaft, ob er Philippe auf den Burschen aufmerksam machen sollte. Vielleicht war es besser, sie verschwanden, solange der Kerl sich noch im Griff hatte.
    Eine Bewegung neben ihm ließ Hannes erschrocken hochfahren. Nur langsam kam sein Puls wieder zur Ruhe. Was befürchtete er eigentlich? Dass er als Mitglied der Bourgeoisie 8 erkannt und die lautstarke Runde handgreiflich wurde? Immerhin hatten sie seinesgleichen, neben dem Kaiser und seiner Adelskreise, als Schuldigen an ihrer misslichen finanziellen und sozialen Lebenssituation ausgemacht. Oder fürchtete er vielmehr, dass dieser Blonde plötzlich über den Tisch auf Philippe losging, womöglich mit einer Waffe in der Hand?
    Es war Edith, die auf dem freien Stuhl neben ihm Platz nahm und ihm ein schüchternes Lächeln schenkte. Dennoch – oder gerade deshalb? – wollte sich sein Herzschlag nicht beruhigen.
    »Ich fürchte, das wird eine lange Nacht.« Sie nickte in die Runde. »Und dabei dachte ich, Sigrid und Frida würden mit mir zurückgehen …«
    »Ich habe Ihnen doch versprochen, Sie nach Hause zu bringen«, erwiderte Hannes eilfertig. Es würde ihm gefallen, die junge Frau nochmals in seinem Automobil chauffieren zu dürfen und dabei ein klein wenig den Helden für sie zu spielen. Nebenbei würde er Philippe aus der Reichweite von Roth schaffen, es sei denn, sein Freund plante, noch länger zu verweilen. Dann musste er sich etwas einfallen

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