Himmel ueber fremdem Land
lassen!
»Ich möchte nicht der Anlass dafür sein, dass Sie die Runde verlassen«, sagte Edith.
»Philippe und ich sollten ohnehin aufbrechen.« Um seine Worte zu unterstreichen, erhob er sich.
Auch Philippe nahm die im Nacken verschränkten Arme herunter und nickte ihm zu.
Ihr Fortgehen wurde kaum beachtet, was Hannes mit Erleichterung wahrnahm. Roth starrte ihnen zwar zornig nach, blieb aber auf seinem Platz.
In Begleitung von Edith verließen sie das verrauchte Gasthaus und atmeten draußen erleichtert die klare, kühle Nachtluft ein.
In seinem Daimler war es allerdings empfindlich kalt geworden. Obwohl er mit den Gedanken noch immer bei Roth war, fiel ihm dennoch ein, dass er Edith seinen Mantel anbieten könnte, damit sie ihn sich über ihre Beine legte.
Während der Fahrt beruhigten seine flatternden Nerven sich allmählich. Später, sobald sie unter sich waren, würde er Philippe aushorchen, was es mit diesem Roth auf sich hatte. Aber im Augenblick richtete Hannes seine Augen viel lieber auf Ediths hübsches Gesicht oder auf ihre im Schoß gefalteten Hände. Er fand ihre Stimme und ihr ungekünsteltes Lachen ausgesprochen sympathisch, ebenso wie die Ernsthaftigkeit, mit der sie seine oder Philippes Fragen beantwortete, wobei sich sein Freund dankenswerterweise sehr zurückhielt. Und er konnte nicht leugnen, dass ihm ihre rundlichen, fast kindlichen Gesichtszüge und ihr üppiger, aber durchaus wohlgeformter Körper gefielen.
Edith leitete ihn bis vor ein älteres Haus, ließ sich von ihm aus dem Fahrzeug helfen und verabschiedete sich höflich von Philippe.
Hannes begleitete sie bis an die Eingangstür und reichte ihr seine Hand. Ohne weiter nachzudenken wagte er zu sagen: »Ich würde Sie gern wiedersehen.«
Eine heiße Welle der Aufregung schwappte über ihn hinweg, nachdem die Worte ausgesprochen waren, und obwohl nur der Mond und eine entfernte Gaslampe Ediths Gesicht erhellten, sah er sie erröten.
»Sie wissen ja, wo Sie mich finden«, wich sie einer direkten Antwort aus und legte ihre Hand auf die Türklinke. Dennoch wandte sie sich nochmals nach ihm um und fragte: »Ich weiß nur, dass Sie Hannes heißen und aus Berlin stammen. Verraten Sie mir Ihren vollen Namen, vielleicht auch Ihre Adresse?«
Der Kadett grinste siegessicher. Wie gewohnt griff er in die Innentasche seines Jacketts, um eine seiner Karten hervorzuholen, doch in Erinnerung an Ediths Freundeskreis unterließ er dieses Vorhaben. Vermutlich war es besser, wenn Edith nicht erfuhr, zu welcher Familie er gehörte. Schließlich wollte er sich die Chance offenhalten, die bezaubernde Frau bald wiederzutreffen. Er nannte ihr seinen Nachnamen und die Gegend, in der er wohnte, wobei er beobachtete, wie sie einen kurzen Moment die Stirn runzelte. Es blieb ihm nur zu hoffen, dass sich Ediths Kenntnisse über Berlin in Grenzen hielten und sie mit der Schlossstraße nicht das unmittelbare Umfeld des Charlottenburger Schlosses in Zusammenhang brachte und somit letztendlich erriet, in welch exquisiter Wohngegend er zu Hause war.
»Vielen Dank für den schönen Tag«, flüsterte Edith und verschwand flink im Inneren des Hauses. Wenige Augenblicke darauf flackerte hinter einem Fenster im ersten Stock eine Lampe auf, und sie zog energisch den Vorhang vor.
Ein eigentümliches Geräusch hinter ihm ließ Hannes erschrocken herumfahren. Eine nur als schwarzer Schattenriss erkennbare Gestalt stürzte zum Automobil. Ihm blieb keine Zeit mehr, um Philippe vor dem Angreifer zu warnen.
Kapitel 8
Berlin, Deutsches Reich,
März 1908
Demy suchte mit der Hand den Eingang zu ihrem Mantelärmel, während Lieselotte sie an die Wand drückte, damit ihr Vater an ihnen vorbeitaumeln konnte.
»Wer ist das?«, bellte der Mann Peter an, dem augenblicklich die Tränen in die Augen schossen.
»Eine Freundin von uns, Herr Vater«, erwiderte Willi für seinen Bruder und lenkte somit die Aufmerksamkeit des betrunkenen Mannes auf sich.
Unterdessen presste sich sein vor Furcht am ganzen Körper heftig zitternder Zwilling mit dem Rücken gegen die Wand.
»Eine Freundin? Die sieht aus wie diese Prostituierte von nebenan. Ist sie eine Bekannte von ihr? Sagten die Frau Mama und ich nicht oft genug, ihr sollt euch von diesen Kreaturen fernhalten?«
»Sie ist keine Freundin von der Romeike, Herr Vater. Wir trafen sie im Schlosspark. Sie heißt Demy, kommt aus Holland und ist dreizehn Jahre alt«, stellte Lieselotte sofort mit unterwürfiger Stimme richtig.
Herr
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