Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
Vom Netzwerk:
philosophierte er und genoss das strahlende Lächeln seiner Gesprächspartnerin.
    Schließlich trat Philippe zu ihnen, an dessen Arme sich Sigrid und Frida untergehakt hatten.
    »Kommst du mit, Edith? Philippe hat uns eingeladen«, sagte Sigrid.
    »Ich weiß nicht, Mädchen. Zu Hause wartet Arbeit auf mich. Obendrein muss ich morgen früh aufstehen.«
    »Ach, sei doch keine Spielverderberin. Es wird bestimmt lustig. Es kommen so selten mal neue Gesichter in unseren Kreis.«
    Mit zur Seite geneigtem Kopf betrachtete Edith sichtlich zwiegespalten Sigrids gerötetes, strahlendes Gesicht.
    Nicht gewillt, ihre reizende Gesellschaft so leicht aufzugeben, beugte Hannes sich zu der jungen Frau hinunter und flüsterte: »Machen Sie mir die Freude, und begleiten Sie uns. Ich verspreche Ihnen, ich passe gut auf Sie auf und fahre Sie mit dem Automobil bis vor Ihre Haustür, sobald Sie es wünschen.«
    Edith hob den Kopf und strich sich eine ihrer braunen Haarsträhnen aus dem Gesicht, damit sie ihn besser mustern konnte. Er hoffte inständig, sie würde seinem Vorschlag zustimmen, denn ihm gefielen ihr Lächeln und die Tatsache, dass sie lieber ihm als Philippe ihre Aufmerksamkeit schenkte. Mehr noch mochte er ihre Direktheit. In den Kreisen, in denen seine Familie verkehrte, traf man so etwas vor lauter vornehm zurückhaltender Höflichkeit selten an. Doch Edith zögerte; sie schien einen inneren Kampf auszufechten.
    Während Edith darüber nachsann, wie sie sich entscheiden sollte, half Philippe Sigrid und Frida bereits auf die Rückbank des Automobils.
    Hannes nahm Edith die Entscheidung letztendlich ab, indem er ihr galant den Arm bot, woraufhin die junge Frau sich geschlagen gab und sich zum Automobil führen ließ. Sie nahm auf dem Vordersitz Platz, da Philippe sich neben ihre Freundinnen nach hinten gesetzt hatte.
    Hannes zündete vorschriftsmäßig die beiden Karbidlampen an, damit sein Fahrzeug in der einbrechenden Dunkelheit gesehen werden konnte, kurbelte den Motor an und klemmte sich hinter das Steuer.
    Innerhalb kürzester Zeit erreichten sie das Gasthaus Luisenpark . Im verrauchten Inneren führten Sigrid, Frida und Edith sie zu zwei zusammengeschobenen Tischen mit einer lautstark diskutierenden Gruppe junger Menschen.
    Die Besucher aus Berlin stellten sich knapp vor und setzten sich an den mit Gläsern überfüllten Tisch, über dem eine elektrische Birne hinter einer trüben Glasummantelung sparsames Licht spendete.
    Frida begann ihnen enthusiastisch zu berichten, dass Rosa Luxemburg zwei Jahre zuvor in diesen Räumlichkeiten vor rund 3.000 Magdeburgern gesprochen hatte. Hannes erinnerte sich gut an dieses kleine Persönchen. Die in Russisch-Polen gebürtige Rosa Luxemburg hatte im Reichstagswahlkampf 1903 öffentlich über den Kaiser gesagt, dass » der Mann, der von den Tatsachen guten und gesicherten Existenz der deutschen Arbeiter spreche, keine Ahnung von den Tatsachen hat« und war aufgrund dieser Worte im Jahr 1904 wegen Majestätsbeleidigung zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Allerdings war Hannes zu Gehör gekommen, dass sie davon lediglich sechs Wochen verbüßt hatte. Dieser Eklat hatte seinen Vater damals außerordentlich aufgeregt und für große Diskussionen unter den Bediensteten des Hauses Meindorff gesorgt. Seither war Luxemburgs Name immer wieder im Zusammenhang mit der SPD gefallen, ebenso mit Gruppierungen, die gegen einen Krieg wetterten, obwohl alle Kolonialstreitpunkte zwischen den Ländern stets diplomatisch gelöst wurden und gar kein Krieg anstand. Hannes glaubte sich zu erinnern, dass die SPD eine Parteischule in Berlin unterhielt und Luxemburg dort als Dozentin für Marxismus und Ökonomie lehrte.
    In der Runde junger Sozialisten entstand eine aufgeheizte Diskussion, bei der Hannes sich zunehmend unwohlfühlte. Immerhin stammte er aus einem der von den Anwesenden lautstark kritisierten Häuser des Großbürgertums. Auch fehlte ihm detailliertes Wissen darüber, was Marx oder Engels genau in ihrem Kommunistischen Manifest geschrieben hatten.
    Philippe saß gewohnt lässig auf seinem Stuhl, die Hände im Nacken verschränkt und verfolgte die Gesprächsrunde mit einem fast schon süffisant zu nennenden Lächeln.
    Hannes’ Blick glitt beunruhigt über die geröteten Gesichter der diskutierenden Männer und Frauen, die ihre Worte mit kräftigen Gesten unterstrichen. Dabei fiel ihm ein Kerl mit hellblondem Haar auf, der Philippe mit einem so finsteren Blick fixierte, als wolle er

Weitere Kostenlose Bücher