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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
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wobei sich das eine oder andere Kind noch mehrmals nach Nina, Jelena und Katja umwandte.
    Da die Zuschauer sich ebenfalls zerstreuten, zog auch der Uniformierte von dannen. Zurück blieben die fünf Sängerinnen und zwei junge Männer. Diese saßen trotz des kühlen Wetters auf der Wiese und hielten Lehrbücher in den Händen. Der kräftigere der beiden Männer, Anki vermutete in ihm und seinem Begleiter Studenten, erhob sich und trat neben sie.
    »Sind Sie nicht etwas zu mutig, junge Dame?«, sprach er sie an, und Anki glaubte einen schwachen süddeutschen Dialekt herauszuhören.
    »Was meinen Sie?«
    Der Student lächelte, und Anki starrte fasziniert auf die Grübchen in seinen Wangen. Sein Lachen konnte nicht anders als hinreißend genannt werden, und seine braunen Augen blitzten dabei fröhlich. »Sie lassen die Chabenski-Töchter mit Arbeiterkindern tanzen und bringen ihnen Lieder bei, deren Texte von der schweren Arbeit der Bauern sprechen?«
    Mit einem prüfenden Blick hinüber zu den Mädchen erwiderte sie: »Ich singe mit ihnen ja keine revolutionären Lieder, sondern deutsches Liedgut. Und die Bauern in den Versen jammern weder über ihr schweres Leben, noch greifen sie die bessergestellte Klasse an.«
    »Sie wissen demnach, worauf ich hinauswill?«
    »Natürlich«, gab Anki zurück und warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. Sie wusste von den revolutionären Umtrieben in der Bevölkerung, die jedoch weniger vonseiten der Bauern als vielmehr von den Arbeitern und den Studenten ausgingen, gesteuert durch eine Spitze, die sich größtenteils im Ausland im Exil befand.
    »Geben Sie Acht, dass Sie mit Ihrem Tun nicht negativ auffallen und Ihre schöne Stimme, wie auch die ihrer Freundin, dann nur noch im eisigen Sibirien zu hören sein wird.«
    Ihre Antwort war lediglich ein knappes Nicken, denn die Kinder und Tilla näherten sich ihnen neugierig. Anki wollte sich nicht in ihrem Beisein mit dem Deutschen über dieses Thema unterhalten.
    »Wer ist das denn?«, fragte Jelena keck und blinzelte gegen die Sonne zu dem Fremden hinauf.
    Auch in Tillas Blick lag unverkennbares Interesse am Gesprächspartner ihrer Schwester. Dieser verbeugte sich in Richtung der jungen Frau und der Mädchen, wobei ein Lächeln seine Lippen umspielte. »Erinnern Sie sich nicht an mich, Prinzessin Jelena Iljichna?«
    Das Mädchen kniff in dem Versuch, gegen die tief stehende Sonne besser sehen zu können, ein Auge zu, schüttelte aber dennoch den Kopf, sodass die Haare unter der Pelzmütze hervorrutschten.
    »Wie unhöflich von mir, mich nicht vorzustellen.« Der Mann wandte sich zu Anki und streckte ihr seine schmalgliedrige Hand entgegen.
    »Robert Busch. Ich lebe seit ein paar Jahren mit meinen Eltern und meinem Bruder Oskar«, er deutete auf den noch immer in sein Buch vertiefen Mann, »in St. Petersburg.«
    »Ach, Herr Busch! Sie waren mit Dr. Botkin bei uns, als ich im letzten Jahr, kurz vor unserer großen Reise, krank wurde, nicht wahr?«
    »Richtig, Prinzessin Jelena Jejichna. Ich bin sehr froh, Sie so munter zu sehen!«
    Anki lächelte, als sie Jelenas Strahlen sah. Zwar verwunderte es sie, mit welcher Selbstverständlichkeit dieser deutsche Student eine Fünfjährige siezte, doch war das durchaus angebracht, wie sie wusste. Ihr hingegen hatte Fürstin Chabenski ausdrücklich erlaubt, die Mädchen zu duzen und die gebräuchliche Anrede »Prinzessin« für die Fürstentöchter beiseitezulassen. Der Student wusste offensichtlich genau, wie er sich dem russischen Adel gegenüber angemessen zu verhalten hatte. Vermutlich war diese Kenntnis der Etikette eine Voraussetzung dafür, um mit Dr. Botkin, immerhin seit drei Jahren einer der Leibärzte der Zarenfamilie, als einer seiner Assistenten die Häuser der höhergestellten Patienten betreten zu dürfen.
    »Wenn Sie mir jetzt noch Ihren Namen verraten, Fräulein …?« Die Worte rissen Anki aus ihren Überlegungen. Entschuldigend lächelte sie ihn an und ergriff endlich die dargebotene Hand, um sie sich kräftig drücken zu lassen.
    »Anki van Campen.«
    »Sie sprechen ein gepflegtes Deutsch, aber Ihr Name klingt vielmehr nach …«
    »… den Niederlanden, ja. Die Familie Chabenski bereiste vor etwas mehr als einem Jahr meine Heimat. Dort verstarb unvermutet das Kindermädchen. Da Fürstin Chabenski ohnehin Wert darauf legt, ihren Kindern neben dem Russischen und Französischen auch die deutsche Sprache nahezubringen, war sie gern bereit, mich als neue Njanja 23 für die drei

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