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Himmel über London

Himmel über London

Titel: Himmel über London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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nun schwer verletzt war? Wenn er von einem Bus angefahren worden oder auf das Gleis in einer U-BahnStation gefallen war? Vielleicht schwebte er zwischen Leben und Tod? Vielleicht hatte er einen Ziegelstein auf den Kopf bekommen? Würde er jemals wieder aus der Bewusstlosigkeit erwachen?
    Angst und Unruhe nagten an ihr, während sie ganz vorn auf dem Autositz saß und mentale Signale an den phlegmatischen Fahrer sandte, damit er schneller fuhr. Was um alles in der Welt war nur passiert? Warum hatte Milos nichts von sich hören lassen? War er … war er bewusstlos? Lag er im Koma? Wurde beatmet? Oder lag er schon im Kühlraum unten in einem Kellergang, da er bereits …
    Nein, das nicht, dachte sie. Natürlich lebte er. Die Frau, mit der sie geredet hatte, hatte gesagt, er werde versorgt. Man wurde nicht versorgt, wenn man tot war.
    Es dauerte eine Weile, sich bis zur Nummer 128 durchzufragen, der Station, die nach allem, was sie aus den verschiedenen Schildern ersehen konnte, eine Station für Akutfälle war. Leute, die aus irgendeinem Grund den Tag über eingeliefert wurden, wie sie annahm. Beinbruch, Thrombose und Darmkrämpfe. Sie drückte eine milchfarbene, geriffelte Glastür auf und gelangte in einen kleinen Aufnahmeraum, in dem ein Mann und eine Frau in weißen Kitteln hinter einem Tresen saßen. Der Mann schien ein Inder oder Pakistani zu sein, die Frau sah blass und übergewichtig aus.
    Leya erklärte, worum es ging. Die Frau trank einen Schluck Tee aus einem Becher mit einem Herzen darauf, während sie Leya kritisch von Kopf bis Fuß musterte. Dann fragte sie:
    »Sie sind nicht zufällig Leya?«
    »Doch«, bestätigte Leya, »das bin ich.«
    »Oh«, sagte die Frau, »gut, dass Sie da sind. Kommen Sie mit.«
    Sie kam hinter dem Tresen hervor, schüttelte Leya die Hand und erklärte, sie sei Schwester Britney. Dann ging sie mit schnellem Schritt einen langen, halbdunklen Flur entlang.
    »Wir haben auf Sie gewartet.«
    »Wieso das?«
    »Weil er die ganze Zeit von einer Frau redet, die Leya heißt.«
    »Tut er das?«
    »Oh ja.«
    »Was … was ist mit ihm passiert? Ich weiß von nichts.«
    Sie blieben vor einer geschlossenen Tür mit der Nummer 128 G6 in Rot auf weißem Grund stehen.
    »Sie wissen nicht, warum er hier ist?«
    »Nein.«
    »All right«, sagte Schwester Britney, legte die Hand auf die Türklinke, öffnete aber nicht. »Nein, das können Sie ja auch gar nicht. Also, er wurde heute gegen ein Uhr eingeliefert. Wegen einer Art von Überfall. Er hat eine Schädelverletzung, aber die ist nicht ernst.«
    »Eine Schädelverletzung?«
    »Ja.«
    »Und weiter?«, sagte Leya.
    »Es waren zwei junge Frauen, die haben gesehen, wie er überfallen wurde, sie halfen ihm hierher und haben erzählt, was passiert ist. Es war offenbar irgendwo in Bayswater. Er bekam einen kräftigen Schlag auf den Kopf, blutete aus der Wunde und wurde für kurze Zeit ohnmächtig – aber der Arzt sagt, er hat keine inneren Verletzungen. Nur eine leichte Amnesie.«
    »Eine Amnesie?«
    »Ja, eine Gedächtnislücke.«
    »Ja?«
    »Er ist offenbar nur zu Besuch hier in London. Für eine Woche oder so, das behauptet er jedenfalls. Aber ihm fällt der Name des Hotels nicht ein, in dem er wohnt. Deshalb haben wir ihn nicht entlassen können. Er kann ja nicht so auf den Straßen herumirren und suchen.«
    »Hotel Rembrandt«, sagte Leya. »Er wohnt im Rembrandt in Knightsbridge.«
    Schwester Britney öffnete die Tür. »Ja, natürlich, Sie wissen das. Bitte schön, hier haben Sie ihn. Ich denke, er wird sich freuen, Sie zu sehen.«
    Milos saß auf einem Sessel an einem Tischchen vor dem Fenster. Er hatte eine Zeitung auf den Knien liegen, einen Verband um den Kopf, und er bemerkte nicht gleich, dass die Tür sich öffnete. Vielleicht lag es auch daran, dass noch ein zweiter Patient im Zimmer lag, der bei voll aufgedrehter Lautstärke Fernsehen guckte. Schwester Britney ging zum Apparat und drehte die Lautstärke leiser. Der Patient, der um die hundert zu sein schien, reagierte gar nicht.
    »Leya!«
    Milos sprang aus dem Sessel auf und kam ihr mit ausgestreckten Armen und einem breiten Strahlen, das von einem Ohr bis zum anderen reichte, entgegen.
    Danke, gütiger Gott, dachte sie und umarmte ihn.
    »Milos, was um alles in der Welt ist denn mit dir passiert?«
    »Ich weiß es nicht. Ich glaube, ich bin überfallen worden.«
    »Überfallen?«
    »Ja, das behaupten sie.«
    »Wer?«
    »Die Mädchen, die mich hierhergebracht haben … Judith und

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