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Himmel über London

Himmel über London

Titel: Himmel über London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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gewesen bist.«
    Sie zog ihre Hand weg. »Aber wir haben doch …?«
    »Ich habe das Restaurant gewechselt.«
    »Was?«
    »Ich habe das Restaurant gewechselt. Wir fahren nicht in die Great Portland Street.«
    »Aber mein Gott, Leonard. Warum denn? Ich dachte …«
    »Ich habe meine Gründe.«
    »Was für Gründe?«
    »Darüber brauchst du dir nicht den Kopf zu zerbrechen. Bitte sei jetzt still, damit ich mich konzentrieren kann.«
    »Dich konzentrieren? Warum musst du dich konzentrieren?«
    »Meine Rede. Unter anderem. Ich werde bald sterben, und ich möchte nicht, dass etwas vergessen wird.«
    »Musst du die ganze Zeit vom Tod reden?«
    »Die ganze Zeit? Ich rede doch nicht die ganze Zeit vom Tod! Was ist das für ein infantiles Weibergeschwätz?«
    »Nenn mich nicht infantil.«
    »Das habe ich nicht. Ich habe gesagt, dieses Weibergeschwätz ist infantil.«
    »Ich begreife nicht, was mit dir los ist, Leonard.«
    »Dafür kann ich nichts.«
    »Hast du deine Medikamente genommen?«
    »Natürlich.«
    »Ich mache mir nur Sorgen um dich, verstehst du das nicht?«
    »Nein.«
    »Aber warum hast du so Hals über Kopf das Restaurant gewechselt? Du hättest doch etwas sagen können, oder?«
    »…«
    »Warum, Leonard?«
    »Verflucht, Maud, lass mich dieses Treffen so arrangieren, wie ich will, und dann in Frieden sterben. Ist das zu viel verlangt?«
    »Wie fühlst du dich?«
    »…«
    »Du kannst mir doch wenigstens sagen, wohin wir fahren?«
    »Richmond.«
    »Richmond? Was ist das?«
    »Das ist ein Stadtteil im südwestlichen London. Grafschaft Surrey, genau genommen.«
    »Surrey? Das klingt ziemlich weit weg, finde ich.«
    »Quatsch.«
    »Aber du fühlst dich nicht verwirrt, Leonard?«
    »Kein bisschen. Und jetzt sei still.«
    »Ich bin einfach besorgt, Leonard.«
    »…«
    »Versprich mir, dass du mir sagst, wenn du dich verwirrt fühlst.«
    »…«
    »Mein Lieber, was haben wir in Richmond zu suchen?«

64

    E s war nicht leicht, die Schweigepflicht in den Krankenhäusern zu umgehen, aber mit der Zeit lernte sie es. Man gab sich nicht damit zufrieden, wenn sie erklärte, dass sie eine Freundin oder eine nahe Verwandte war. Behauptete, man dürfte keine Auskünfte über Patienten geben; man wollte nicht einmal sagen, ob man jemanden mit diesem Namen überhaupt aufgenommen hatte.
    Zumindest nicht so ohne weiteres. Denn das System war biegsam, das spürte sie. Wenn sie nicht lockerließ, stellte man sie weiter durch. Milos Skrupka, ja. Musste irgendwann im Laufe des Tages eingeliefert worden sein. S-k-r-u-p-k-a, ja, genau.
    Sie wurde ungeduldig wartend in der Warteschleife hängen gelassen, sprach mit neuen Krankenschwestern, Sekretärinnen und Angestellten. Aber zum Schluss wurde sie dann doch abgewimmelt. Zweimal erfuhr sie, dass niemand mit dem entsprechenden Namen oder mit dem Aussehen, das sie angegeben hatte, eingeliefert worden war. Weder auf der Notaufnahme noch sonst wo. In keinem der kleinen Krankenhäuser in Kensington und Chelsea, mit denen sie angefangen hatte.
    Erst bei ihrem vierten Versuch – dem St. Mary’s Hospital in Paddington – landete sie einen Treffer. Nach zehn Minuten und nachdem sie dreimal weitergereicht worden war, erklärte eine müde Frauenstimme, dass man tatsächlich einen Patienten dieses Namens im Hause hatte. Wer fragt danach? Ach, seine Verlobte? Na gut, ja. Der entsprechende Patient war ungefähr um ein Uhr auf der Unfallstation eingeliefert worden und wurde momentan auf Station 128 versorgt.
    »Versorgt?«, brachte Leya mit Mühe hervor.
    »Mehr weiß ich nicht«, erklärte die Frau. »Ich lese das nur vom Computerschirm ab.«
    »Aber was ist ihm denn passiert?«
    »Das kann ich nicht sagen«, erklärte die Frau.
    »Darf ich … ich kann ihn doch wohl besuchen?«
    »Sie können es auf jeden Fall versuchen«, sagte die Frau. »Das entscheidet die Station. Wenn Sie eine nahe Verwandte sind oder so?«
    »Verlobte«, sagte Leya. »Wie gesagt. Hundertachtundzwanzig war es noch mal?«
    »Genau«, bestätigte die Frau, und es klang tatsächlich, als zündete sie sich eine Zigarette an. »Milos Skrupka, Station eins zwei acht, das ist alles, was ich hier habe.«
    »Vielen, vielen Dank«, sagte Leya. »Vielen, vielen Dank. Ich komme sofort.«
    Im Taxi sprach sie drei Gebete mit ansteigendem Dringlichkeitsgrad. Zum Ersten, dass der Fahrer etwas schneller fahren würde. Zum Zweiten, dass man sie ins Krankenhaus ließe. Und zum Dritten, dass Milos nichts Ernsthaftes passiert sei.
    Und wenn er

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