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Himmel über London

Himmel über London

Titel: Himmel über London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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erfüllt von Bewunderung und Begeisterung. Es war, als spielten die Engel, die schwarzen wie die weißen und welche Schattierungen ansonsten auch immer vorkommen mochten, diese mächtige Musik einzig und allein für ihn oder, besser gesagt, als malten sie dieses Gesamtkunstwerk; in Licht und Dunkel, in abwartender Stille und grollendem Donner, ja, es war ein vollständiges Orchester mit allen Elementen der Erde, des Himmels und der Hölle, und das erfüllt ihn, lädt ihn auf genau mit der Energie, die er braucht, um den kommenden Tag zu überstehen; das spürt er ebenso deutlich, als wäre er eine alte Autobatterie, die zum allerletzten Mal zum Aufladen angeschlossen wird, und als Mighty James schließlich seinen Todeskuss empfängt, nimmt er den gewaltigen Klang sowohl durch die Trommelfelle als auch durch seine Hände auf, die das singende, vibrierende Eisengeländer so fest umklammern, dass die Knöchel weiß werden. Und zwei Krähen stürzen tot von einer schiefen alten Lärche auf dem Hof gegenüber zu Boden, Funken springen überall auf, und Leonard Vermins graues Haar, das vom Regen durchnässt wurde, während er hier draußen in der ersten Reihe stand, trocknet augenblicklich.
    »Meine Güte«, stöhnt Maud Miller fünf Meter weiter hinten im Zimmer. »Was zum Teufel war das?«
    Sie sitzt senkrecht im Bett und starrt erschrocken in die Nacht hinaus. Ihre therapeutische Ader liegt tief begraben in den Labyrinthen des Schlafs, sie hat Halsschmerzen und einen Würgereiz, und beim ersten Nachhall des eingeschlagenen Blitzes weiß sie nicht, wo sie sich befindet. Doch dann erinnert sie sich. London. London, Leonard, die Feier. Sie erinnert sich auch daran, dass sie am vergangenen Abend ein teures, misslungenes Essen mit ihrer Tochter Irina eingenommen hat und dass sie mindestens zwei Glas Weißwein in einem Pub getrunken hat, in dem sie auf dem Heimweg eingekehrt war, wodurch sich die Würgereize erklären lassen. Plus pochende Schläfen und einen widerlichen, echsenartigen Geschmack im Mund und sonst noch alles Mögliche, von dem sie dachte, dass es in eine andere Zeit gehörte. Jedenfalls nicht in diesen verbrauchten Körper einer fünfundfünfzigjährigen Therapeutin, es ist einfach schrecklich, und es interessiert sie momentan gar nicht, dass Leonard da draußen auf dem Balkon steht – doch dann fällt ihr plötzlich ein, dass er vor ein paar Stunden, als sie ins Hotel zurückkam, nackt dort draußen gelegen hat. Aber sie hat ihn doch ins Bett gebracht, den armen, sterbenden Kerl? Sie hat sich doch wohl um ihn gekümmert, warmes Wasser über seine zitternden Glieder rinnen lassen und so weiter? Bevor sie sich wirklich sicher ist, wie es sich mit den Dingen verhält, schwappt jedoch eine richtige Welle aus ihrem Magen hoch, und ihr wird klar, dass sie sich übergeben muss. Heraus aus dem Bett, doch sie verwickelt sich in die Bettdecke und fällt hin, es ist fast schon zu spät, und während sie durch den Raum humpelt, das eine Bein, fast eingeschlafen, gehorcht ihr kaum, hat sie das Gefühl, als hätte der Glockenschlag mitten im Schmerzzentrum ihres Kopfes Wurzeln geschlagen. Weißglühend und infernalisch. Ja, verdammte Scheiße.
    Einen guten Kilometer weiter südlich, auf der anderen Seite von Kensington Gardens, Royal Albert Hall und noch ein kleines Stück weiter, starrt Irina in ihrem Zimmer 323 im Rembrandt Hotel in eine andere Finsternis und begreift auch nicht, wo sie gelandet ist. Einen kurzen Moment lang glaubt sie, tot zu sein und dass der Mörder Russell heißt, er ist Schriftsteller und hat sie in einem herbstlichen Straßengraben mit einem hohlen Eisenrohr erschlagen, daher stammt der Hall in ihrem Kopf.
    Doch schnell weiß sie es besser, das Eisenrohr und der Graben gehören in einen gerade geträumten Traum. Der Todesklang jedoch nicht, er hallt noch weiter in der Wirklichkeit nach; sie schaltet die Nachttischlampe ein und setzt sich auf. Auf dem Boden liegt ein Buch, es wird gerade noch von dem schrägen Lichtkegel der Lampe getroffen, er erinnert geradezu an ein Spotlight auf einer Theaterbühne oder in einem Film. Die Bekenntnisse eines Schlafwandlers. Der Autor heißt tatsächlich Steven G. Russell, aber sie kann nicht sagen, ob sie darin gelesen hat, bevor sie gestern Abend einschlief. Das ist etwas merkwürdig, sie versucht sich mit aller Kraft an diesen kurzen Zeitraum zu erinnern, doch es taucht keinerlei Erinnerung auf; keine Intrige, keine Stimmung, keine Personen, also zieht sie

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