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Himmel über London

Himmel über London

Titel: Himmel über London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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Telefonen, da ist es im Grunde genommen ja auch unfassbar, wie die eigentlich funktionieren.
    Wenn Sven Martin zu Hause saß und seine Hausaufgaben machte, statt mit ins Krankenhaus zu fahren, legte Lars Gustav Patience. Die siebensaitige Harfe und den Idioten.
    Wobei Letzterer blöderweise nie aufging.
    Es hieß, Gudrun Selén würde im Winter wohl im Krankenhaus sterben – ein halbes Jahr, bevor Ingo Patterson k.o. schlug also –, doch dem war nicht so.
    Stattdessen wurde sie wieder gesund – auf irgendeine wundersame Art und Weise und entgegen allen Prophezeiungen –, das war Anfang Februar, und es herrschten seit mehr als einer Woche bereits minus zwanzig Grad. Teodor Selén erklärte, dass es die Kälte war, die die Bazillen in die Flucht geschlagen hätte, früher war es in gewissen nördlichen Ländern üblich gewesen, kranke Menschen über Nacht in den Schnee zu legen; diejenigen, die nicht starben, waren auf der Stelle kerngesund.
    Doch Gudrun Selén zog nicht zurück zur Familie in den Gökvägen, das war das Sensationelle. Stattdessen bezog sie ein Klinkerhaus oben auf dem Limbergsåsen zusammen mit einem Arzt, der sich im Krankenhaus um sie gekümmert hatte. Er hieß Doktor Holmgren, war jung und alleinstehend und vor ein paar Jahren aus Skåne eingewandert.
    Das war ein Skandal, ihm war zu verdanken, dass der Ruf der Brüder eine kurze Renaissance in der Stavaschule erlebte, mit der es aber schnell vorbei war und die ins Gegenteil kippte. Sie waren die Söhne eines Lügners von einem Bahnhofsvorsteher und einer liederlichen Frau. Der Zigeuner-Tony war der King, und als Lars Gustav vorsichtig an Clarissa Håkanssons Pferdeschwanz zog, schrie sie, als wäre sie vergiftet worden.
    Zwei Fotzen, wie gesagt, und es wurde nicht besser, als Mama Gudrun sich eines Tages im Herbst auf dem Markt mit dickem Bauch zeigte und ein paar Monate später eine Halbschwester namens Katinka zur Welt brachte.
    Oder als sie im folgenden Frühling mit ihrer neuen Familie nach Håverud zog – das auf der anderen Seite vom Vänern lag, ein Aquädukt hatte und von dem es hieß, dass es jenseits jeder Ehre und Redlichkeit liege.
    Sven Martin zog sich immer mehr zurück und fing an zu stottern. Um sein Stottern zu verbergen, zog er sich noch mehr in sich zurück.
    Lars Gustav dagegen ballte die Faust in der Tasche und dachte, dass er eines Tages den Bus nach Håverud nehmen würde, diesen Mistkerl von Arzt packen und ihn in einem Brunnen ertränken würde.
    Denn so verfuhr man mit dieser Sorte von Schweinehunden, das hatte er mit seinem Vater Teodor nicht nur einmal diskutiert. Normale Stinkstiefel konnte man erschießen, erwürgen oder vergiften, aber Leute wie Doktor Holmgren, die musste man in einem Brunnen ertränken, sonst würden sie als Gespenster wiederkommen und noch schlimmere Schandtaten begehen als zuvor.
    So war die Lage. Und die Jahre vergingen.

33

Das gelbe Notizbuch
    D as Haus war ein weiß verputzter Ziegelkompromiss in vier Stockwerken, fünfzig Meter vom Westbourne Grove. Zwei Eingänge zur Straße hin, ich schätzte, dass es sich um acht bis zwölf Wohnungen handelte. In welcher ich Carla treffen sollte, das wusste ich nicht, die Anweisungen hatten sich nur auf die Adresse und den Zeitpunkt bezogen.
    Garway Road, um zehn Uhr abends am 5. Februar. Ich war mehr als eine Stunde zu früh an Ort und Stelle, es war windig und unbeständig, im Laufe des Nachmittags war es zu mehreren Regenschauern gekommen, aber glücklicherweise gab es ein kleines italienisches Restaurant genau gegenüber auf der Straße. Ich trat ein, bestellte mir ein einfaches Pastagericht und ein Glas Rotwein und nahm an einem Fenstertisch mit ziemlich guter Sicht auf die beiden Eingänge von Nummer 17–23 Platz.
    Mein Zustand war nicht der beste, das möchte ich betonen. Ich hatte Carla seit fast zwei Monaten nicht gesehen, und irgendwie lagen die Nerven blank. Seit dem 13. Dezember hatten wir uns nicht mehr getroffen – nicht nach meinem Ausflug nach Bristol und Exmoor, nicht nach meinem missglückten Einsatz in der Cannon Lane in Hampstead, nicht nach der Entdeckung, dass Sir John Bairncross als Spion für den Warschauer Pakt arbeitete.
    Es war einfach zu viel Zeit vergangen. Die Wochen, die wir im November und Anfang Dezember gehabt hatten – unsere Treffen am Russell Square, in Soho und in Mount Park Crescent –, erschienen mir seit der Jahreswende immer unwirklicher. Manchmal hatte ich das Gefühl, als wäre der ganze Herbst nur ein

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