Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)
nichts davon?« Alle redeten jetzt durcheinander.
»Woher weißt du das überhaupt?«, fragte jetzt Jesco.
»Nun mal der Reihe nach«, lachte Ferdinand. »Heute vor meiner Abreise traf ich Hanno von Harvich und Horst Kölichen im Berliner Hof. Ihr wisst, die beiden trifft man dort ständig. Also stellt euch vor, Leopold hat in Petersburg eine Russin geheiratet. Natascha, Tochter eines Fürsten Orlowski. Carla ist außer sich.«
»Hat sie denn gar nichts von Leopolds Plänen gewusst?«, fragte Elvira. »Schließlich ist er ihr Bruder.«
»Nein, sie hatte keine Ahnung. Als sie ihn auf Troyenfeld besuchen wollte, stellte er sie ihr als seine Frau vor. Sie ist aus allen Wolken gefallen, sagt Hanno.«
Ursula von Eyersfeld verzog spöttisch den Mund. »Leopold war ja schon immer ihr Augenstern. Für den scheint nicht mal eine Fürstentochter gut genug zu sein. Aber eigentlich schade, diese Heimlichkeit. Eine Hochzeit in Petersburg, dann noch orthodox und bei Fürstens, das hätte ich mir nicht entgehen lassen.«
»Ich kann dich trösten«, sagte Ferdinand. »Es wird demnächst noch eine protestantische Hochzeit auf Troyenfeld geben. Der Fürst wird dazu erwartet, gemeinsam mit seiner ganzen Entourage. Hanno sträuben sich jetzt schon die Haare, wenn er nur daran denkt. Dieser Orlowski muss ja ein ganz wilder Kerl sein.«
»Jetzt ist von den begehrten Junggesellen ja nur noch Mathias Goelder auf dem Markt. Ich bin gespannt, wann es den erwischt«, lachte Ferdinand. »Kölichen erzählte, dass auf dessen Hof inzwischen ein ganzes Rudel rothaariger Bastarde herumspringt.« Jesco sah seinen Bruder fragend an. »Sagtest du vorhin nicht ›erstens‹? Was ist denn das Zweite, was du uns berichten wolltest?«
Ferdinand wandte sich an Aglaia, die neben ihm auf der Chaiselongue saß: »Was ich gehört habe, wird dir wohl nicht gefal len. Man munkelt, deine Mutter will Wallerstein verkaufen.«
»Nein, Onkel Ferdi, das kann nicht sein!« Aus Aglaias Gesicht war alle Farbe gewichen. »Warum sollte sie das tun?«
»Laut Kölichen hat deine Mutter in den letzten Jahren das Geld zum Fenster hinausgeworfen.«
»Na ja, nicht nur dass sie mit dem Geld geaast hat«, mischte sich Jesko jetzt ein. »Ständig hat sie die Verwalter gewechselt, sie soll sie furchtbar schlecht behandelt haben. Ich hab da so einiges gehört. Die Wirtschaft ist dadurch in den letzten Jahren nicht sehr ertragreich gewesen, und nun auch noch die schlechten Ernten.«
»Jedenfalls gibt die Bank ihr jetzt kein Geld mehr. Man sagt, sie hatte auch falsche Berater«, nahm Ferdinand den Faden wieder auf.
»Das wundert mich gar nicht«, schaltete sich nun Ursula ein. »Als vor einiger Zeit der alte Herzberg starb, hat die Klühspieß ihr ihren Finanzberater empfohlen.« Sie legte ihre Stirn in Falten und dachte angestrengt nach. »Wie hieß er man noch … Mein Gott, ich war doch dabei … Ja, jetzt fällt es mir wieder ein, Hofrat Schmolz! ›Er erledigt alle meine Angelegenheiten zu meiner vollsten Zufriedenheit, Frau Gräfin‹, hat die Klühspieß geflötet, ›den Hofrat kann ich ihnen nur wärmstens ans Herz legen‹.«
»Ach du meine Güte! Dieser Schmolz hat nun wirklich nicht den allerbesten Ruf!«, entfuhr es Jesko.
»Das hat Kölichen auch gesagt. Er meint, der feine Hofrat dürfte sich mit der Verkaufsprovision von Wallerstein eine goldene Nase verdienen.«
»Und wahrscheinlich bekommt die saubere Schneiderin davon auch noch was ab.« Fritz von Eyersfeld sah seine Frau missbilligend an. »Ein feines Pack, mit dem du da verkehrst.«
Ursula presste wütend ihre Lippen zusammen, aber bevor sie eine passende Antwort geben konnte, rettete Elvira die aufgeheizte Stimmung. »Es tut mir wirklich sehr leid für dich, Liebes«, sagte sie und streichelte Aglaias Hand.
Aber die schien sich wieder gefasst zu haben. »Ach weißt du, Tante Elvira, nach dem, was in den letzten Jahren passiert ist, kann mich eigentlich nichts mehr erschüttern. Mein Zuhause ist Birkenau, ihr seid meine Familie. Im Grunde sollte ich mich nicht mehr darum kümmern, was aus Wallerstein wird.« Sie überlegte einen Augenblick und wechselte dann dieses unschöne Thema. »Übrigens bekam ich heute Post von Clemens. Er trägt sich mit dem Gedanken, nach Ostpreußen zurückzukehren.«
»Weiß er denn schon, wann?« – »Das ist aber eine Freude!« Wieder redeten alle durcheinander.
»Er schreibt, es würde noch eine Weile dauern, bis er seine Angelegenheiten in England geregelt hat.
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