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Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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durch die Salons strich.
    »Ja, kommt sie heute nicht?«
    »Eigentlich müsste sie schon längst hier sein. Aber ich fürchte, ihrem Vater geht es mal wieder nicht gut. Dann sagt sie alles ab und bleibt bei ihm zuhause. Seitdem ihre Mutter gestorben ist, kümmert sie sich rührend um ihn.« Sie lächelte schelmisch. »Aber ich werde ihr ausrichten, dass Sie nach ihr gefragt haben.«
    Was Ellart dann am Abend von seinem Freund erfuhr, erschütterte ihn in seinen dünkelhaften Grundfesten. »Emil Trautschke ist ein neureicher Fabrikant«, berichtete Meinhard. »Er fabriziert Jauchepumpen, Schmier- und Kernseife. Er muss damit ein Vermögen gemacht haben. Amalie ist seine einzige Tochter. Christine sagt, er vergöttert und verwöhnt sie nach Strich und Faden. Sie war mit Lizzy im Töchterpensionat, und seitdem sind die beiden die dicksten Freundinnen.« Meinhard musste lachen. »Na, Prost Mahlzeit! Deine Angebetete ist die Tochter eines Parvenüs. Ich fürchte, das gefällt dir gar nicht.«
    »Ach, was heißt hier Angebetete. Ich finde sie sehr interessant, das ist alles.«
    »Na dann ist es ja gut.«
    Vor den Herbstmanövern besuchten sie noch einmal die Stumms. Wieder war Amalie nicht da. Aber ehe sie nach Potsdam zurückfuhren, kehrten sie bei Belling ein, einem typischen Berliner Lokal.
    »Mir ist nach Eisbein mit Sauerkraut, bevor wir wochenlang aus Konserven verköstigt werden«, hatte Meinhard gemeint. Als sie das Lokal betraten, entdeckten sie an einem der blank gescheuerten Tische Amalie, zusammen mit einem älteren, korpulenten Herrn. Sein schütteres graues Haar war in der Mitte gescheitelt, und das starke Doppelkinn wurde von einem engen weißen Kragen nach oben gedrückt. Die hängenden Wangen und das glatt rasierte Gesicht wirkten fahl. Der Mann sah nicht gesund aus. Als Amalie zu ihnen hinüberblickte, grüßten die beiden jungen Männer mit einer Verbeugung. Aus den Augenwinkeln sah Ellart, dass der Herr Amalie fragte, wer sie da gerade gegrüßt hatte. Sie sah immer wieder zu ihnen hinüber, und ihre Augen blickten den zwei Männern nach, bis sie im hinteren Teil des Lokals verschwunden waren.
    Ellart lebte schon seit einiger Zeit weit über seine Verhältnisse. Das Geld von seiner Großmutter und Ferdinand war längst aufgebraucht, und sein Sold reichte hinten und vorne nicht. Ein paarmal hatte er Meinhard angepumpt. Aber beim dritten Mal hatte dieser freundlich gesagt: »Hör zu, Ellart, nichts für ungut. Aber meine Mittel sind leider auch begrenzt. Du musst entweder besser haushalten oder dir eine andere Geldquelle suchen.«
    Von zuhause kamen beunruhigende Nachrichten von Jesko:
    Schon im letzten Jahr war die Ernte nicht besonders gut, aber in diesem Jahr herrscht seit Mai eine anhaltende Hitze. Das Korn verdörrt auf den Feldern, wir warten verzweifelt auf Regen. Wir überlegen bereits, Schernuppen zu verkaufen. Es ist eine Katastrophe.
    Dann kam die nächste Hiobsbotschaft. Seine Großmutter schrieb ihm einen herzzerreißenden Brief:
    Mein geliebtes Jungchen,
    stell Dir vor, nicht nur dass die ganze Ernte kaputt zu gehen scheint, bei uns überall im Land herrscht Typhus. Vor ein paar Tagen ist Lenchen, die Tochter von Minchen, gestorben. Wir trauern alle sehr mit ihr. Ich bin so froh, dass Du weit weg bist. Hoffentlich ist alles vorbei, wenn Du Deinen Heimaturlaub bekommst.
    Ferdinand hatte einige Tage in Königsberg verbracht. Noch in Reisekleidung stürzte er in den Salon, wo Jesko und Fritz von Eyersfeld über das Schachbrett gebeugt saßen, während den Damen in der Kaminecke gerade von Hannes der Tee serviert wurde. Hannes war zum Ersten Diener aufgerückt, nachdem Willi, inzwischen weit über siebzig, in den wohlverdienten Ruhestand gegangen war.
    »Ihr glaubt ja gar nicht, was ich heute erfahren habe«, rief Ferdinand.
    »Du wirst es uns sicher gleich erzählen, aber lass mich vorher die Partie zu Ende spielen.« Jesko war kurz davor, Eyersfeld im Schach zu schlagen.
    Hannes nahm Ferdinand Mantel und Zylinder ab, und Elvira goss ihm eine Tasse Tee ein. »Komm, setz dich zu uns«, sagte sie. »Schön, dass du wieder da bist.«
    »Schachmatt«, rief Eyersfeld in dem Moment, und Jesko knurrte: »Ich will später aber ein Remis!«
    Sie gesellten sich zu den Damen, und Elvira sagte jetzt neugierig: »Na los, Ferdi, nun erzähl schon. Was gibt es denn so aufregendes Neues?«
    »Also erstens, Leopold von Troyenfeld hat geheiratet!«
    »Was?«
    »Ha, wen denn?«
    »Und wann, warum wissen wir

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