Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)
Großvater sehr gut. Wir waren gemeinsam in verschiedenen Aufsichtsräten. Ich habe seinen plötzlichen Tod sehr bedauert.«
Ellart setzte eine traurige Miene auf. »Ja, es war ein schwerer Schlag für die ganze Familie, vor allem für meine Mutter.« Dass er seinen Großvater kaum gekannt hatte, behielt er für sich.
»Ich weiß nicht, ob ich es erwähnt habe, aber unser Gastgeber heute Abend ist Finanzminister August von Heydt«, klärte der Baron sie auf. »Er ist ein alter Freund von mir. Übrigens hat er zwei reizende Töchter. Es wird also nicht allzu langweilig für euch werden.«
»Gottlob, Papa, Ellart und ich hatten schon die größten Bedenken.«
Ellart sah seinen Freund entsetzt an. »Ich bitte dich, Meinhard …«
»Ach lass man, mein Vater kann ein offenes Wort vertragen, stimmt’s, Papachen?«
»Du sagst es, mein Jungchen.« Er winkte dem Ober, die Rechnung zu bringen. »Es ist Zeit, wir müssen.« Er stand eilig auf. »Ich denke, mein Wagen wartet bereits. Übrigens, nach der Soiree lade ich euch dann bei Diener’s zum Souper ein. Ihr macht mir doch das Vergnügen?« Keiner der beiden wagte es, zu widersprechen.
Die Heydts bewohnten eine prachtvolle Residenz direkt am Tiergarten. Die mit weißem Kies bedeckte Zufahrt war durch mannshohe Fackeln beleuchtet, was einigen neugierigen Berlinern die Möglichkeit gab, die ankommenden Gäste zu betrachten und ihre Kommentare abzugeben. »Kiek ma … die beeden jungen Offiziere, schnieke, wa?«, hörte Ellart eine weibliche Stimme, als sie die Freitreppe hinaufschritten, und sein Herz klopfte vor Stolz. Vielleicht sollten sie doch öfter in Uniform ausgehen. Schon vorhin in der Halle des Bristol hatten ihm die bewundernden Blicke der Damen außerordentlich gefallen. Ein Lakai in schwarzen Escarpins und grüner, gold betresster Samtjacke nahm ihnen ihre Tschakos und Baron von Ehrenfels den Zylinder ab. Die große Halle und die Salons waren bereits halb gefüllt mit eleganten, sich angeregt unterhaltenden Menschen. Ein mittelgroßer, leicht fülliger Herr in Frack mit einer Fülle von Orden an der Brust kam ihnen mit ausgebreiteten Armen entgegen. »Mein lieber Ehrenfels«, rief er überschwänglich, »eine wirkliche Freude, dich endlich wiederzusehen.«
»Ganz meinerseits, mein Lieber! Darf ich dir meinen Sohn Meinhard vorstellen? Und das ist Ellart Graf Kaulitz. Sie sind Stubenkameraden in Potsdam.«
»Zwei schmucke Ulanen, das wird meine Mädchen freuen. Ich werde Sie Ihnen gleich vorstellen, meine Herren.« Plaudernd betraten sie den Salon. An der geöffneten Tür zu einer großen Terrasse stand eine Gruppe junger Leute. »Ah, da sind sie ja.« Der Minister winkte einem etwa neunzehnjährigen, blonden Mädchen zu. »Das ist Lizzy, meine jüngste Tochter. Lizzy, das sind Meinhard von Ehrenfels und Ellart von Kaulitz. Würdest du sie mit deinen Freunden bekannt machen?«
»Aber natürlich gern, Papa. Kommen Sie, meine Herren?«
Die Gruppe hatte aufgehört, sich zu unterhalten, und blickte Lizzy und den beiden Neuankömmlingen interessiert entgegen. Lizzy stellte die beiden vor. »Und das ist meine Schwester Ilse mit ihrem Verlobten Friedrich Stumm. Das ist Christine, Friedrichs Schwester, und diese junge Dame ist Christines und meine beste Freundin Amalie …« Die restlichen Namen rauschten an Ellart vorbei. Fasziniert starrte er diese Amalie an. Was war das bloß für eine außergewöhnliche Schönheit. Klein, zart, mit einer weißen, fast durchsichtigen Haut schien sie zerbrechlich wie kostbares Porzellan. Über der hohen Stirn türmten sich feuerrote, kunstvoll frisierte Locken, in die lindgrüne, zu dem Abendkleid passende Schleifen gebunden waren. An den Ohren trug sie geschliffene, mit Brillanten besetzte Smaragde und um den zarten Hals eine passende Kette. Unter fein geschwungenen Brauen leuchteten grüngrau gesprenkelte Augen, die Ellart über den Fächer hinweg spöttisch anblickten.
»Stimmt etwas nicht, Herr von Kaulitz?«, fragte sie lächelnd.
»Nein … nein, natürlich nicht, verzeihen Sie. Sie erinnern mich nur an jemanden.«
»Das ist ganz unmöglich«, rief einer der Herren, dessen Namen Ellart nicht behalten hatte. »Fräulein Trautschke ist einmalig! Kommen Sie, Amalie, lassen Sie uns etwas zu trinken holen. Die Lakaien scheinen mir ein wenig unaufmerksam.«
Ellart einen amüsierten Blick zuwerfend, nahm sie den Arm des jungen Mannes und rauschte davon. Bei dem Namen Trautschke war Ellart zusammengezuckt. Was für ein
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