Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)
sehr gut aus. Aber er muss ja wohl auch nett sein, sonst würden sich hier nicht alle so über sein Kommen freuen.«
Da erschien Clemens auch schon wieder. Er war im Frack, mit blütenweißer Weste. In der kunstvoll gebundenen Krawatte trug er die Perle, die Aglaia ihm vor achtzehn Jahren zu Weihnachten geschenkt hatte.
» À la bonheur «, flüsterte Ellart seinem Bruder zu. »Vom allerbesten Schneider, dieser Frack. Das sieht man, arm scheint er nicht zu sein, dieser Lord.«
Alexander wurde langsam ärgerlich. Was redete sein Bruder da nur für ein dummes Zeug? Doch Hannes’ »Es ist angerichtet« enthob ihn einer Antwort.
Elvira ließ sich von Clemens zu Tisch führen. »Schön, dass du da bist, Jungchen«, flüsterte sie ihm zu. »Es wurde auch langsam Zeit!« Nachdem die Suppe, eine Consommé mit Einlage und dazu ein leichter Riesling, serviert worden war, waren alle neugierig. »Nun sag bloß, Clemens, wie kommt es, dass du so plötzlich hier auftauchst?«, fragte Jesko.
»Wie ihr sicher von Aglaia gehört habt«, er sah ihr einen Moment lang tief in die Augen, sodass sie errötete und den Blick senkte, »zieht es mich wieder zurück nach Hause.« Er nahm einen Schluck von dem Wein. »Ein wunderbarer Tropfen, Jesko.« Er lächelte seinem Gegenüber zu, der ihm zuprostete. »Eigentlich hatte ich vor, erst im Frühjahr zu kommen. Aber als ich eure Einladung zur Hasenjagd erhielt, habe ich meine Pläne über den Haufen geworfen.«
Jesko sah seine Frau überrascht an. Gab es da etwas, was er nicht wusste? Sie schüttelte unmerklich den Kopf, was heißen sollte ›Frag jetzt bloß nichts!‹.
Hannes und zwei weitere Diener servierten nun Rebhuhn mit Weinkraut, und das Gespräch stockte für einen Moment. Dann nahm Clemens den Faden wieder auf. »Als Erstes wollte ich eigentlich nach Pommern, die Gräber meiner Familie besuchen. Aber als ich in Calais ankam …«, er schüttelte sich, »… die Überfahrt war einfach schrecklich, ich werde nämlich immer seekrank, da packte mich dermaßen die Sehnsucht nach euch und nach Birkenau, tja, und da bin ich einfach direkt gekommen.« Er sah Jesko fragend an. »Ich hoffe sehr, ich komme nicht ungelegen?«
»Unsinn Clemens!« Elvira strahlte ihn an. »Viel zu lange schon haben wir auf deine Rückkehr gewartet, stimmt’s, Jesko?«
»Du sprichst mir aus der Seele.« Er erhob sein Glas. »Dann lasst uns alle auf die Heimkehr des lieben Jungen anstoßen.«
Der nächste Gang, Hasenlapatten mit Schmant und Rotkohl, wurde herumgereicht, und Alexanders Augen leuchteten. »Hast du die extra für mich geschossen, Großvater?«
»Ja, was denkst du denn, Jungchen? Schließlich ist das dein Leibgericht, wenn ich mich recht erinnere.«
»Danke, Großpapa! Lord Ashleighton, Sie müssen wissen, für Hasenlapatten lasse ich alles andere stehen.«
»Ich übrigens auch. Aber willst du nicht du zu mir sagen? Schließlich bin ich dein Patenonkel. Und für dich, Ellart, gilt natürlich das Gleiche. Eure Mutter hat mir in all den Jahren so viel über euch geschrieben, dass ich das Gefühl habe, euch genau zu kennen.«
»Wenn du London den Rücken kehren willst«, fragte Ellart nun, »wo gedenkst du dich dann niederzulassen?«
»Möglicherweise hier ganz in der Nähe. Ich werde mir in der nächsten Zeit Verschiedenes ansehen.«
»Ach Gottchen, zurück in die Provinz.« Ellart verzog das Gesicht. »Na ja, das ist wohl Geschmacksache.«
»Ich will zurück in meine Heimat«, korrigierte Clemens ihn freundlich.
Doch Jesko bemerkte etwas irritiert: »Unser junger Fähnrich scheint mir ein wenig überheblich.«
Nach dem vorzüglichen Essen wurden wie üblich im Salon Mokka, Liköre und Schnäpse serviert. Man ließ sich am warmen Feuer des Kamins nieder. Nur Aglaia stand am Fenster und blickte hinaus in das wilde Schneetreiben. Clemens war neben sie getreten und sagte leise: »Du bist noch schöner geworden, Aglaia.«
»Ach Clemens, du übertreibst … Aber ich sehe, du trägst immer noch meine Perle.«
»Erinnerst du dich nicht? Ich sagte dir seinerzeit, ich werde sie bis an mein Lebensende tragen.«
Aglaia musste an Hannchen Severins Worte vor über achtzehn Jahren bei Alexanders Taufe denken. »Er liebt dich, Aglaia, merkst du das denn gar nicht?«
Aglaia zog sich bald zurück. Sie musste allein sein und über all das, was heute auf sie eingestürmt war, nachdenken. Der Himmel war bedeckt, und so zündete sie die drei Kerzen an, um mit ihren Lieben zu sprechen. »Stellt euch
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