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Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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paar Worten abgetan. Sie verstand, dass Aglaia nach allem, was in der letzten Zeit passiert war, ihre Mutter nicht sehen wollte. Und dann das mit dem Umzug nach Königsberg – geradezu mysteriös war das. Von Wilhelmine würden sie die Wahrheit nicht erfahren, das war sicher. Und Horst erwartete man erst im Herbst zurück. Ihr Weg führte jetzt vorbei an einem kleinen See, wo einige Kormorane, aufgeschreckt vom lauten Wiehern des Pferdes, über das Wasser flogen, um sich am anderen Ufer wieder niederzulassen. In der Ferne, im diffusen Licht der tief stehenden Sonne, tauchte nun Schloss Birkenau auf. Eine Welle des Glücks durchflutete sie. Gleich würde sie zuhause sein, bei den Menschen, die sie liebte und die auch ihr von Herzen zugetan waren. Plötzlich empfand sie Mitleid mit ihrer alten Freundin, mit der sie früher so viel verbunden hatte. Ihr Hass auf Tanya hatte ihr Leben vergiftet, sie verbittertert und bösartig werden lassen. Und schließlich hatte sie dadurch Horsts Liebe verloren.
    »Da bist du ja, mein Marjellchen«, begrüßte sie Jesko, der mit Eberhard auf der Terrasse unter der efeubewachsenen Pergola saß. »Gibt es etwas Interessantes auf Wallerstein?«
    »Oh ja«, sagte Elvira. »Ich mache mich nur kurz frisch, dann werde ich euch berichten. Wo ist denn Aglaia?«
    »Sie bespricht gerade etwas mit Frau Keller. Sie wird gleich zurück sein.«
    Elvira gab ihrem Mann einen Kuss auf die Stirn und verschwand im Haus. »Bin gleich zurück. Ich beeil mich!«
    Als sie wenig später zurückkam, fand sie die drei in angeregter Unterhaltung. Aglaias Wangen glühten, offensichtlich war sie ganz aufgeregt. »Tante Elvira, stell dir vor, wer heute Abend kommt. Onkel Ferdinand!«
    »Was für eine Freude, Ferdi, das lustige Haus, habe ich ja seit Jahren nicht mehr gesehen!«
    Jesko zog ein Papier aus der Tasche. »Heute Mittag, du warst gerade weg, kam eine Depesche.« Er begann, laut vorzulesen. Habe Heimweh nach Ostpreußen – stop – euch – stop – und Birkenau – stop. Werde eine Weile bleiben – stop – Bitte euch Freude zu heucheln – stop – Ferdi
    Elvira lachte laut auf. »Das ist mal wieder typisch für deinen kleinen Bruder, Jesko. Ich bin gespannt, wie lange er es diesmal aushält. Wo kommt er denn überhaupt her?« Sie sah ihren Mann fragend an.
    »Keine Ahnung. Er reist ja seit Jahren durch die Weltgeschichte. Man weiß nie, wo er sich gerade aufhält.«
    Ferdinand von Kaulitz war das, was man einen Lebemann nannte. Nach einer kurzen, unglücklichen Ehe hatte er nie wieder geheiratet. Ein paar Jahre war er im diplomatischen Dienst gewesen, war ständig auf Reisen und hinterließ überall gebrochene Herzen. Auf seinem letzten Posten hatte er sich zwei Jahre in einem Kaff in Afrika mit Anstand gelangweilt und gleich danach seinen Abschied genommen. Sein Vermögen bescherte ihm ein sorgenfreies Leben, zu reisen und die Möglichkeit, dort zu bleiben, wo es ihm gefiel. Aber alle paar Jahre packte ihn die Sehnsucht nach Ostpreußen. Meist blieb er nur kurz, was nicht nur die Damen sehr bedauerten. Er war ein charmanter Gesellschafter, tanzte leidenschaftlich gern und soff, wie sein Bruder fand, manchmal wie ein Droschkenkutscher. Ein paarmal konnte er nur knapp einem Duell entgehen, zu intensiv hatte er sich mit einer verheirateten Dame der Gesellschaft beschäftigt. Da half wirklich nur die Flucht!
    »Wird er zum Abendbrot hier sein?«, fragte Elvira.
    »Ja, Josef holt ihn von der Bahn in Insterburg ab. Die Mamsell kocht bereits Königsberger Klopse. Wenn er die nicht zur Begrüßung bekommt, wird er boossig. Ich denke, er wird in einer Stunde hier sein.«
    »Ich war mit Frau Keller in seinem Zimmer«, sagte Aglaia. »Es ist alles in Ordnung. Das Bett ist frisch bezogen, es ist gelüftet und …«, sie sah Elvira fragend an, »… ich habe ihm eine Vase mit deinen Rosen hingestellt. Es ist dir doch recht?« Aglaia wusste, der Rosengarten war allein Elviras Revier.
    »Aber natürlich, mein Herz.« Liebevoll strich sie der jungen Frau über die Wange. Dann fragte sie: »Willst du denn gar nicht wissen, wie es auf Wallerstein war?«
    Aglaias eben noch strahlendes Gesicht verschloss sich.
    »Aber natürlich«, riefen Jesko und Eberhard jetzt wie aus einem Mund. »Du sagtest vorhin doch etwas von irgendwelchen Neuigkeiten.«
    Aglaia interessierte sich nur für eines. »Ist Papachen noch da?«
    »Nein, er ist noch am selben Tag abgereist, an dem er hier war, und wird erst zur Jagdsaison

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