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Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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Jahren mit ihm befreundet. An meinem ersten Abend traf ich ihn zufällig unter den Linden. Er war in Begleitung vom Hansemann, unserem Finanzminister. Beide waren auf dem Weg zum Schloss. Dort gab es einen großen Empfang für irgendwelche Diplomaten.« Er zündete sich erneut seine Zigarre an, die während seiner Erzählung erloschen war. »Na ja, und die beiden haben mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte mitzukommen. Einer mehr oder weniger würde bei den vielen Menschen nicht auffallen. Also bin ich mitgegangen.«
    »Das ist ja wirklich doll!« Jesko zeigte sich beeindruckt. »Wer war denn sonst alles so da?«
    »Eine Menge interessanter Leute, unter anderem der junge Bismarck. Man sagt, dass er seit einiger Zeit das Wohlwollen des Königs genießt, wusstet ihr das?«
    »Wir sind hier ja schließlich nicht ganz hinter dem Mond«, Jesko war leicht pikiert. »Gelegentlich lesen wir auch Zeitung!«
    »Verzeih, Bruderherz, ich habe das nicht böse gemeint. Also diesem Bismarck wird eine große politische Zukunft vorausgesagt. Und ich muss sagen, ein blendend aussehender junger Bursche ist das. Groß wie ein Baum und mit einer hübschen kleinen Frau.«
    »Oh, erzähl mal«, rief Aglaia aufgeregt, »was hatte sie denn an, die Frau von Bismarck?«
    Ferdinand machte ein ratloses Gesicht. »Keine Ahnung«, sagte er nach kurzem Überlegen, »ich weiß bloß, dass sie nicht nackt war.«
    »Du bist und bleibst unmöglich!« Elvira und Jesko glucksten vor Lachen. »Du weißt doch, mein Liebling, mein Bruder interessiert sich mehr für das Darunter!«, und löste damit allgemeine Heiterkeit aus.
    »Und wie sind der König und die Königin?«, fragte jetzt Elvira. »Sprechen sie mit einem, oder grüßen sie nur freundlich?«
    »Sie sind wirklich reizend«, fuhr Ferdinand in seinem Bericht fort. »Sie lassen sich jeden Gast persönlich vorstellen, unterhalten sich kurz mit ihm und gehen dann zum nächsten. Übrigens war auch Friedrich Wilhelms Bruder Wilhelm da. Er wird wohl unser nächster König werden, da Friedrich Wilhelm und Elisabeth kinderlos geblieben sind.«
    »Wie lange bist du denn im Schloss geblieben?«, fragte Jesko jetzt neugierig.
    »Ich weiß nicht genau, aber danach bin ich mit Josef bei einem fürchterlichen Gelage gelandet. Aber wo, das verrate ich nicht. Das ist nichts für die Ohren von jungen Damen.« Während seiner Erzählung hatte Willi fleißig nachgeschenkt, auch die zweite Portweinflasche war schon fast leer. Aglaia fielen bereits die Augen zu.
    »Da hast du recht, Onkel Ferdi«, lachte Eberhard. »Außerdem muss meine Frau jetzt ins Bett, und ich selbst bin auch hundemüde. Du weißt, ein Bauer muss morgens immer früh raus.«
    Auch Elvira erhob sich. »Ich schließe mich den beiden an. Morgen ist auch noch ein Tag.«
    Beim Hinausgehen sagte Eberhard: »Was hältst du davon, Onkel Ferdi, wenn du morgen mit Aglaia nach Linderwies kommst? Du wirst dich wundern, wie es sich verändert hat.«
    »Gern mein Junge, wenn ich ausschlafen darf.«
    »Natürlich, es hat keine Eile. Ich werde den ganzen Tag dort sein. Schließlich ist das meine Arbeit.«
    Elvira gab ihrem Mann einen Gutenachtkuss und strich Ferdinand liebevoll über die Wange. »Schön, dass du da bist. Ich hoffe, du bleibst uns ein Weilchen erhalten.«
    »Gute Nacht, Liebes«, rief Jesko ihr nach, und zu dem Diener, der immer noch im Hintergrund auf Anweisungen wartete, sagte er: »Mach uns noch eine Flasche Port auf, Willi, und dann kannst du zu Bett gehen. Wir brauchen dich nicht mehr.«
    »Sehr wohl, Herr Graf.« Nach ein paar Minuten waren die beiden allein. Schweigend zündeten sich beide eine neue Zigarre an. Jeder hing seinen Gedanken nach. An einem wolkenlosen Himmel erstrahlten Millionen von Sternen, und der fast volle Mond ließ mit seinem fahlen Licht den Park geheimnisvoll erscheinen. Die tiefe Stille wurde nur ab und an unterbrochen vom Quaken der Frösche am See oder dem entfernten Wiehern eines Pferdes.
    »Weißt du, Jesko«, durchbrach Ferdinand das Schweigen, »der Himmel über Ostpreußen erscheint mir immer schöner als anderswo auf der Welt.«
    »Vielleicht, weil hier deine Heimat ist«, meinte Jesko versonnen.
    »Komm, lass uns nicht sentimental werden, Bruderherz«, rief Ferdinand. »Es macht mich unendlich froh, dich so glücklich zu sehen.«
    »Ja, lass uns auf die Liebe trinken. Nie hätte ich gedacht, dass ich den Tod von Irma überwinden würde. Aber Elvira hat wieder Freude in mein Leben gebracht.«
    »Wie geht es

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