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Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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tat er oft, entblößten seine immer noch vollen Lippen makellose weiße Zähne, und unter den dichten, schön geschwungenen Brauen blitzten fröhliche graublaue Augen. Er sah jetzt auf seine goldene Taschenuhr.
    »Ich denke, ich sollte mich mal umziehen. Es gibt sicher bald Abendbrot.«
    »Tu das, Ferdi«, sagte Jesko. »Und bitte kommod, kein Smoking. Wenn wir keine Gäste haben, bleiben wir leger. Aber du kennst das ja.«
    Eberhard war noch in Reithosen. Auch er erhob sich. »Ich werde euch auch mal vom Stallgeruch befreien«, lachte er. »Bin gleich zurück. Mein Magen knurrt schon gewaltig.«
    Das Abendessen war äußerst unterhaltsam. Ferdinand erzählte amüsant von seinen Reisen, während er Unmengen von Königsberger Klopsen verzehrte. »Wisst ihr, wie ich mich auf die gefreut habe?«, fragte er. »Einmal in einem Beduinenzelt erschienen sie mir wie eine Fata Morgana.« Verzückt verdrehte er die Augen. »Keiner macht sie so gut wie Hertha. Ich werde sie morgen früh in der Küche aufsuchen und es ihr persönlich sagen.« Er sah Jesko fragend an. »Wie geht es ihr überhaupt? Sie muss ja steinalt sein.«
    »Ihr ›Erbarmung‹ ist immer noch laut und deutlich«, lachte Eberhard.
    »Frau Keller meint, sie klage manchmal über schwere Beine«, warf Elvira ein, »aber ansonsten scheuche sie die Küchenmädchen wie eh und je.«
    »Na, dann bin ich aber wirklich beruhigt«, freute sich Ferdinand und lud sich noch zwei Klopse auf seinen Teller. Die alte Hertha war schon seit über vierzig Jahren auf Birkenau. Erst als Küchenmädchen, später war sie Mamsell geworden und wollte das auch bis zu ihrem Ableben bleiben. Sie kannte die beiden Jungen schon von klein auf und hatte sie mit ihren Leibspeisen verwöhnt. Wenn sie krank waren, hatte sie sich heimlich in die Kinderstube geschlichen, ihnen eine starke Brühe oder Kakao gebracht, und wenn sie ungehorsam waren und mit Essensentzug bestraft wurden, heimlich Wurstbrote zugesteckt. »Ihr Jungchen müsst doch gjroß und stark werden«, hatte sie geflüstert, »und ohne Essen gjeht dat nu man nich.«
    Als der Nachtisch serviert wurde, fragte Elvira: »Wollen wir den Mokka nicht draußen nehmen? Es ist ein so herrlicher lauer Abend.«
    Alle stimmten ihr zu, und Willi gab Hannes, dem zweiten Diener, ein Zeichen, die nötigen Getränke und Gläser auf die Terrasse zu bringen. Als die Gesellschaft nach draußen trat, brannten bereits die Windlichter. Noch erhellten die Strahlen der untergehenden Sonne den Park und die Mauern des Schlosses, aber bald würde die Dunkelheit hereinbrechen und der Schein der Kerzen ihr warmes Licht verbreiten.
    »Ach, ist es schön, wieder zuhause zu sein«, rief Ferdinand. Voller Wehmut blickte er hinaus in den Park, über den sich jetzt langsam die Dämmerung senkte und Bäume und Sträucher wie geheimnisvolle Wesen erscheinen ließ. »Weißt du noch, Jesko, wie wir nachts im Park versucht haben, Glühwürmchen einzufangen, und uns gegruselt haben, wenn hungrige Wölfe zu nahe ans Schloss kamen und ihr Geheul anstimmten?«
    »Ja, ja«, sagte Jesko, »lang, lang ist’s her.« Willi reichte jetzt den Ebenholzkasten mit den Zigarren herum, und Hannes servierte den Damen ihren Mokka und den Herren den obligatorischen Verdauungsschnaps.
    »Was für eine Idylle ist das hier gegen das hektische Berlin«, sagte Ferdinand schwärmerisch und zog an seiner Zigarre. »Ich glaube, ich werde langsam zu alt für den ständigen gesellschaftlichen Trubel.«
    »Wer’s glaubt, wird selig«, bemerkte Jesko trocken. »Hab ich das nicht schon mal bei deinem letzten Besuch gehört? Erzähl uns Landeiern lieber mal, was du in dem trubeligen Berlin erlebt hast. Wie lange warst du denn überhaupt dort?«
    »Nur drei Tage auf der Rückreise von Ägypten«, er stöhnte, »und davon kaum im Bett.«
    »Wahrscheinlich nur nicht in deinem eigenen!«, frotzelte Jesko.
    »Ich muss doch sehr bitten, meine Herren«, rief Elvira mit gespielter Entrüstung.
    »Also, erzähl schon«, lachte Eberhard. »Lass uns teilhaben an deinen Abenteuern.«
    »Aber bitte jungendfrei!«, rief jetzt Jesko, der bereits mehrere Schnäpse intus hatte.
    »Ist ein Empfang im Schloss jugendfrei genug?«, fragte Ferdinand ganz ernst.
    »Waaas? Du warst bei Königs?« Nun schien sogar Jesko beeindruckt.
    »Da staunste, was Brüderchen?«, Ferdinand schmunzelte. »Erinnerst du dich an Josef von Radovitz, Jesko?« Der nickte. »Er ist einer der engsten Vertrauten des Königs. Du weißt, ich bin seit

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