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Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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Stimme »Komm, lass uns in den Park gehen. Es ist so ein herrlicher Tag, und so blass wie du bist, kann dir ein wenig frische Luft nicht schaden. Ich werde dir alles erzählen, vielleicht kannst du mich ja dann verstehen.« Draußen fanden sie ein ruhiges Plätzchen auf einer Bank unter den schattigen Zweigen einer uralten Eiche, außer Hörweite der Gärtner, die die zahlreichen Buchsbäumchen schnitten.
    »Ich habe deine Mutter einmal sehr geliebt«, begann er. »Sie war so schön und elegant, sie hat mich amüsiert, und es war nie langweilig mit ihr. Ich habe sie geheiratet, obwohl meine Eltern andere Pläne mit mir hatten.« Nachdenklich betrachtete er den ruhigen See. »Ich habe sie immer mit einem Schwan verglichen, so schön war sie. Nun … wir waren eine Zeitlang sehr glücklich. Aber dann wurde sie schwanger. Ich war außer mir vor Freude, aber deine Mutter begann sich zu verändern. Sie war missgelaunt, lamentierte über den Verlust ihrer makellosen Figur … nun ja, sie wurde plötzlich eine andere. Wie eine Fremde wurde sie für mich.« Er sah seine Tochter zärtlich an. »Und dann kamst du. Dich liebte ich vom ersten Augenblick an. Du warst mein ganzes Glück. Auch deine Mutter liebte dich … aber mich begann sie von sich zu stoßen. Sie wolle kein zweites Kind, jedenfalls nicht so bald, war ihre Begründung. Eine ›Tortur‹ nannte sie die Zeit der Schwangerschaft. Sie brauche Zeit, sich davon zu erholen. Nicht einmal zu den Jagden wollte sie mich begleiten. Sie fand sich noch nicht wieder ›comme il faut‹, wie sie sich ausdrückte.« Er stockte, offensichtlich wusste er nicht, wie er das, was er sagen wollte, in Worte fassen sollte. »Du musst verstehen, ich war ein junger Mann, ging oft allein zu Gesellschaften und auf die Jagd, man machte mir Avancen. Jedenfalls, du warst ungefähr ein Jahr alt, da begegnete mir Ingewild von Ahlfeld. Sie war eine entfernte Cousine von mir, ich hatte sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gesehen.«
    »Ingewild, so hieß doch Tanyas Mutter?« Langsam schien Aglaia zu begreifen.
    »Ja. Wir verliebten uns ineinander. Sie war so lieb und sah so entzückend aus. Es war wie ein coup de foudre .« Wieder schwieg er einen Moment, ihn übermannten die Gefühle. »Wir begannen uns heimlich zu treffen«, fuhr er fort, »sprachen sogar über eine gemeinsame Zukunft, obwohl ich nicht wusste, wie die aussehen sollte. Ich war schließlich verheiratet, eine Scheidung wäre ein Skandal gewesen. Und was würde aus dir werden? Deine Mutter hätte niemals auf dich verzichtet. Wir waren wie voneinander berauscht. Und eines Tages war Ingewild schwanger.«
    »O Gott!«, rief Aglaia. »Und Mama wusste immer noch nichts?«
    »Nein. Niemand außer uns beiden wusste davon. Ich war einfach feige. Ingewild war Vollwaise. Ich habe sie ins Ausland geschickt, um dort das Kind zur Welt zu bringen, dann wollte ich entscheiden, wie es weitergehen sollte.« Es hielt ihn jetzt nicht mehr auf der Bank. Noch nie hatte er so offen darüber gesprochen. Erregt ging er auf und ab. »Ich muss gestehen, ich habe zeitweise an Scheidung gedacht. Aber ich liebte dich so sehr und konnte mir nicht vorstellen, dich auch zu verlassen. Also schob ich die Entscheidung vor mir her. Und dann kam ein Brief. Ingewild hatte die Geburt nur um einen Tag überlebt und die Hebamme gebeten, an mich zu schreiben mit der Bitte, mich unseres gemeinsamen Kindes anzunehmen.« Er setzte sich wieder, seine Kräfte drohten ihn zu verlassen.
    Aglaia drückte seine Hand. »Und dann hast du Tanya zu uns geholt. Was … wie hat Mama es aufgenommen, hast du ihr die Wahrheit gesagt?«
    »Ja, was hätte ich denn tun sollen? Ich wollte nicht mehr lügen. Ich hatte gefehlt, habe deine Mutter angefleht, mir zu verzeihen, aber sie war außer sich. Sprach immer nur von dem Bastard … es war schrecklich. Erst als ich ihr mit Scheidung drohte, hat sie zugestimmt. Sie war so außer sich, regelrecht unter Schock, dass ich sie erst einmal zur Kur nach Badenweiler schicken musste, bevor ich Tanya zu uns holte.« Er schwieg erschöpft und wischte sich mit seinem Taschentuch den Schweiß von der nassen Stirn.
    Jetzt fiel es Aglaia wie Schuppen von den Augen. »Nun weiß ich auch, warum Mama Tanya so gehasst hat«, sagte Aglaia traurig. »Die Arme hat sich so sehr bemüht, Mama zu gefallen. Sie wollte nur, dass sie sie ein bisschen liebhat. Ach, hättest du uns doch bloß früher die Wahrheit gesagt, Papachen.«
    »Ich wollte Tanya adoptieren, es wäre

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