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Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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erwähnt? Horst hat eine Mätresse in Berlin, schon seit Jahren. Er zeigt sich überall mit ihr.«
    Eberhard sah ihn fassungslos an. »Nein, Onkel Ferdinand, davon weiß ich nichts. Es wäre auch besser, Aglaia würde es nicht erfahren.«
    »Wenn du es ihr nicht sagst … ich werde es bestimmt nicht tun.«
    Am nächsten Tag schrieb Eberhard einen Brief an Wilhelmine.
    Verehrte Schwiegermutter,
    nach dem gestrigen Vorfall sehe ich mich leider gezwungen, Dich zu bitten, in Zukunft Birkenau fernzubleiben. Im Interesse all derer, die Du im Beisein Aglaias und einiger Königsberger Damen in unangemessener Art beleidigt hast, wäre es unangebracht, Dich zur Taufe von Alexander hierzuhaben. Aglaia und ich sehen leider keine andere Möglichkeit, das Ansehen unserer Familie zu wahren.
    Hochachtungsvoll
    Eberhard von Kaulitz
    Es war Ende April. Wie jedes Jahr war es über Nacht Frühling geworden. Milde Stürme hatten in wenigen Tagen den Schnee zum Schmelzen gebracht, die Vögel kamen in Scharen zurück, und das Land erwachte innerhalb von ein paar Tagen aus seinem langen Winterschlaf. Von Elvira kam begeisterte Post aus Malta.
    » Es ist traumhaft hier. Alles blüht, es ist warm, und sogar Jesko meint, für seine alten Knochen gäbe es nichts Besseres als das hiesige Klima.« Und ein anderes Mal: »Wir haben hier reizende Menschen getroffen. Wie ihr wisst, ist Louise auch hier und schleppt uns überall mit hin. Es ist einfach herrlich. Und wenn meine Sehnsucht nach Alexander nicht wäre, könnte ich mir vorstellen, noch ein wenig länger zu bleiben. Jesko lässt herzlich grüßen. Bis bald. eure Elvira«
    Mitte Mai bemerkte Aglaia, dass sie wieder schwanger war. Diesmal lamentierte sie nicht, als Doktor Grüben ihr das Reiten verbot. Sie ging ganz auf in ihrem Glück. Begleitet von Paulchen und Bello, neben sich in einem Körbchen Alexander, fuhr sie öfter hinüber nach Linderwies zu Minchen Basedow. Die jungen Frauen tauschten Erfahrungen aus über Kinderkrankheiten, Zahnen und das Wunder der ersten Worte.
    »Franzchen hat gjestern das erste Mal ›Mutti‹ gjesagjt«, berichtete Minchen aufgeregt, als Aglaia bei ihr in der Küche saß. »Und sehn Se nur, seit ein paar Tagen kann er schon laufen.« Tatsächlich hatte sich Minchens Jüngster an einem Stuhlbein hochgezogen und tapste mit unsicheren Schritten zu dem Körbchen, in dem Alexander mit fest geballten Fäustchen zufrieden vor sich hin brabbelte. Ernsthaft betrachtete er das kleine Kind. Dann streichelte er mit seiner kleinen Hand unbeholfen über Alexanders Kopf und rief lachend »Da! Da! Da!« Alexanders Gesichtchen begann zu stahlen, er strampelte und quiekte vor Vergnügen und griff nach Franzchens Hand. Es war der Beginn einer lebenslangen Freundschaft.
    An einem herrlich warmen Frühsommertag Mitte Juni wurde Alexander in der kleinen Schlosskapelle getauft. Elvira war erst vor wenigen Tagen von ihrer Reise zurückgekehrt, hatte es sich aber nicht nehmen lassen, selbst die Kapelle festlich mit allen Blumen zu schmücken, derer sie habhaft werden konnte. Das Schloss war voller Gäste. Neben den Eyerfelds, Dühnkerns, Herzbergs und dem Ehepaar von Saalfeld waren die immer noch unverheirateten Goelder-Brüder da, sowie Hannchen Severin mit ihrer Familie und die Lackners aus Lindicken. Und immer noch wurden Gäste erwartet. Selbstverständlich war auch Horst aus Berlin angereist. Eberhard hatte Jesko und Elvira gleich nach ihrer Rückkehr über Wilhelmines unmöglichen Auftritt unterrichtet. »Ich habe ihr geschrieben, dass sie auf Birkenau unerwünscht ist und ich sie auch zur Taufe hier nicht sehen will.«
    Elvira hatte ihn entsetzt angesehen. »Ist das nicht ein bisschen hart. Was sagt denn Aglaia dazu?«
    »Sie ist absolut meiner Meinung.«
    »Wie traurig«, war alles, was Elvira dazu sagen konnte. Erstaunlicherweise wunderte sich keiner der Gäste über Wilhelmines Abwesenheit. Jedenfalls fragte niemand nach ihr. Offensichtlich hatte Frau Klühspieß ganze Arbeit geleistet.
    Pastor Küster, der schon Aglaia getauft und getraut hatte, fand bewegende Worte, und die anwesenden Damen waren den Tränen nah. Auch Clemens’ Augen waren feucht, als er Alexander über das Taufbecken hielt.
    »Was für ein Mann«, flüsterte Henriette Severin ihrer Schwester Hannchen ins Ohr. »Hast du eine Ahnung, ob er schon vergeben ist?«
    »Nein«, hauchte die, »ich werde später Aglaia fragen.«
    Nach einem vorzüglichen Mittagessen – Hertha hatte sich mal wieder selbst

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