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Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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… Hört dat denn gjar nich auf?«
    Gegen drei Uhr kamen Jesko und Eberhard zurück. Sie waren bestens gelaunt. Die Geschäfte hatten sie zur vollsten Zufriedenheit erledigt, und das Mittagessen im Gasthaus zum Hirschen war vorzüglich gewesen. Als sie die Halle betraten, blieben sie wie erstarrt stehen. Die Schreie aus den oberen Räumen ließen ihnen das Blut in den Adern gefrieren.
    »Was ist los … wie lange geht das schon? Ist die Hebamme da?«, fragte Eberhard aufgeregt.
    »Seit heute Morjen, Herr Gjraf.« Willi schwankte leicht. »Das Kindchen will partout nich kommen.« Er hielt sich diskret die Hand vor den Mund, um einen Rülpser zu unterdrücken. Eberhard wollte nach oben rennen, aber in dem Moment erschien Elvira auf der Treppe. Sie war etwas derangiert, die Haare wirr und das Gesicht schweißnass. »Gut, dass ihr da seid! Der Doktor muss kommen, schnell. Frau Kurbischke weiß nicht mehr weiter …«
    Eberhards Gesicht verlor alle Farbe. »Ich fahre selbst«, rief er und lief hinaus zu dem Einspänner, der gerade von einem Pferdeknecht zu der Remise geführt wurde. Er fand den Arzt in seiner Praxis. Der letzte Patient war gerade gegangen.
    »Komm schnell«, rief Eberhard, »Aglaia hat eine Frühgeburt. Sie liegt seit Stunden in den Wehen, und die Kurbischke ist mit ihrem Latein am Ende.« Doktor Grüben schüttelte ungläubig den Kopf. Das war tatsächlich ungewöhnlich. Die ganze Fahrt über versuchte der Doktor, seinen Freund zu beruhigen, obwohl auch er selbst besorgt war. »Mach dir nicht solche Sorgen, Eberhard. So eine Geburt dauert manchmal Stunden, und dann geht trotzdem alles gut. Es kann sein, dass das Kind falsch liegt, aber das kriegen wir schon hin.«
    Eberhard fuhr wie der Teufel, und Doktor Grüben fürchtete bald mehr um sein Leben als um das von Aglaia. Als sie auf Birkenau ankamen, rannte er die Treppe hinauf, zwei Stufen auf einmal nehmend.
    »Dich kann ich jetzt gar nicht gebrauchen«, rief er, als Eberhard Anstalten machte, ihm zu folgen. »Trink einen großen Cognac oder auch zwei. Es wird jetzt nicht mehr lange dauern.« Und tatsächlich hörten nach ein paar Minuten die schrecklichen Schreie auf.
    Eberhard und Jesko saßen wir erstarrt in der Bibliothek. Sie sprachen nicht, nur hin und wieder sprang einer der beiden auf, ging zur Tür und lauschte und ließ sich dann erschöpft wieder in einen Sessel fallen. Sowie eines der Gläser leer war, schenkte Willi unaufgefordert nach.
    »Schrecklich, dieses Warten«, sagte Jesko irgendwann, und Eberhard rief: »Wenn ich doch bloß etwas tun könnte! Es ist zum Verrücktwerden.«
    Plötzlich hörten sie Schritte, die Stimme des Arztes rief einem Dienstmädchen etwas zu, dann öffnete er die Tür der Bibliothek. »Du hast einen Sohn, Eberhard«, sagte Dr. Grüben. »Ein gesundes Kind, ein bisschen klein, aber das wird schon, doch das Wichtigste, Aglaia lebt.« Erschöpft ließ er sich in einem Sessel nieder und ergriff dankbar das Glas Cognac, das Willi ihm reichte. »Aber …«, er nahm einen kräftigen Schluck, »… ich musste operieren. Es war tatsächlich höchste Zeit.« Er sah Eberhard mitfühlend an. »Und Aglaia wird keine Kinder mehr bekommen können.«
    »Die Hauptsache ist, sie lebt!« Eberhard sprang auf. »Bitte entschuldigt mich. Ich möchte zu ihr. Und danke, lieber Freund.«

Januar 1851

    A n einem Vormittag Anfang des Jahres sollte sich das Leben von Clemens schlagartig ändern. Elvira und Aglaia saßen, gemütlich plaudernd, mit ihren Stickrahmen vor dem prasselnden Kamin. Sie besprachen die Taufe von Ellart, die Ostern stattfinden sollte. Jesko und Eberhard waren über das Schachbrett gebeugt, als Willi meldete: »Herr von Mühlau sind soeben eingetroffen.«
    Jesko sah erstaunt auf seine Taschenuhr. »Was für eine ungewöhnliche Zeit. Sollte der Junge nicht um diese Stunde in seiner Schule sein?«
    Aber da stürmte Clemens schon herein. »Verzeiht diesen Überfall, aber ich habe euch etwas Wichtiges mitzuteilen.« Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, und sein Gesicht war schneeweiß.
    Eberhard war aufgesprungen und ging seinem Freund entgegen. »Was ist mit dir, Clemens? Ist etwas passiert? Du bist ja ganz echauffiert.«
    Die Damen legten ihr Stickzeug zur Seite und sahen ihn erstaunt an. »Komm, setz dich zu uns, Clemens.« Elvira deutete auf einen Sessel neben sich. »Nun beruhige dich erst mal. Du siehst ja erbärmlich aus.«
    Clemens holte tief Luft. »Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan. Gestern Abend

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