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Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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übertroffen – verteilte sich die Gesellschaft in den Salons. Einige der Herren, darunter Jesko, Horst von Wallerstein, Baron von Eyerfeld, Graf Dühnkern und der Bankier Herzberg hatten sich in die Bibliothek zurückgezogen.
    »Nun, mein lieber Herzberg«, begann Horst, »die Aktien, die Sie mir verkauft haben, sind ja gewaltig gestiegen und werfen einen erklecklichen Gewinn ab. Ich habe gerade den Auftrag gegeben, Wallerstein zu renovieren.«
    Der Bankier, ein großer kräftiger Mann Anfang fünfzig mit einem sorgfältig gestutzten Backenbart und eisblauen klugen Augen, lächelte geschmeichelt. »Sehr erfreulich, lieber Wallerstein, in der Tat sehr erfreulich. Und Sie werden sehen, der industrielle Aufstieg wird weitergehen.« Er wandte sich an die Runde. »Wie ist es denn mit Ihnen, meine Herren? Mein lieber Kaulitz, können wir vielleicht auch ins Geschäft kommen?«
    »Um Himmels willen, nein!« Jesko hob abwehrend die Hände. »Wir haben unser Geld in Grund und Boden investiert. Der Kauf von Schernuppen steckt uns noch in den Knochen.«
    »Und wie ist es mit Ihnen, Eyersfeld, wollen Sie nicht etwas verdienen, ohne zu arbeiten?«
    »Ach lassen Sie man, Herzberg«, wehrte auch Fritz von Eyersberg ab, der gerade sorgfältig sein Monokel putzte. »Ich bin genau wie die Kaulitzens verwachsen mit meiner Scholle.« Er ließ sich von Willi noch einen Cognac nachschenken. »Wir sind eben vom alten Schlag.«
    »Sehr lobenswert«, mischte sich jetzt Graf Dühnkern ein, der bisher schweigend gelauscht hatte. »Ich bin absolut Ihrer Meinung. Wenn ich sehe, wie manche Verwandte aus dem Adel ihr Leben damit verbringen, nichts weiter zu tun, als zu jagen, reisen und ihr Geld zu verspielen, anstatt sich um ihren Besitz zu kümmern, wird mir angst und bange. Da fragt man sich wirklich, wo das noch hinführen soll.«
    »Sie haben wahrlich recht, lieber Dühnkern«, pflichtete ihm Jesko bei. »Die wenigsten ahnen, was Grund und Boden bedeutet. Aber um das zu wissen, muss man sich damit verbunden fühlen, damit verwachsen sein und Verantwortung übernehmen für die Leute, die einem dienen.«
    »Nun, meine Herren«, sagte der Bankier, »mir scheint, es zeichnet sich fast so etwas wie eine Stadtflucht ab. Kaum eine Zeitung, in der nicht mehrere Güter zum Kauf angeboten werden.«
    »Also ich würde lieber sterben, als meine Scholle zu verlassen«, rief Fritz von Eyersfeld. »Trinken wir darauf, dass diesem Kreis solche Ideen fernbleiben.« Man prostete sich zu und wandte sich anderen Themen zu.
    Aglaia und Hannchen Severin machten einen Spaziergang in dem Park. In den gepflegten Rabatten blühten Narzissen, Stiefmütterchen und Tulpen in leuchtenden Farben, und das saftige Grün der Bäume spendete wohltuenden Schatten. Die beiden jungen Frauen hatten ihre Sonnenschirme aufgespannt und gingen Arm in Arm in Richtung des Sees, als ihnen Clemens entgegenkam. »Was machst du denn hier, so allein?«, fragte Aglaia erstaunt.
    »Ich musste eine Weile für mich sein«, sagte er ernst. »Mir ging so viel durch den Kopf … die Taufe, das entzückende Kind und die Erinnerung an meine kleine Schwester.« Seine Augen waren unendlich traurig. »Eberhard und du, ihr seid Glückskinder, wirklich zu beneiden.« Dann überzog sein Gesicht ein Lächeln, und die Traurigkeit schien wie weggeblasen. »Ich bin wahrlich ein schlechter Gast! Dich am heutigen Tag mit meiner Melancholie zu belasten. Bitte verzeih, liebste Aglaia.« Er beugte sich über ihre Hand. »Lasst euch nicht weiter stören, ich werde mich jetzt wieder unter die Gäste mischen«, rief er und eilte davon.
    »Was für ein schöner Mann«, sagte Hannchen mit nachdenklichem Blick, »und so wohlerzogen. Ist er eigentlich schon vergeben? Henriette ist ganz entzückt von ihm.«
    »Nicht nur sie! Sophie Herzberg macht ihm schon länger schöne Augen. Der alte Herzberg hat bei Jesko sogar schon mal vorsichtig angeklopft und mit einer beträchtlichen Mitgift gewunken … Du weißt, Clemens ist völlig mittellos.«
    Hannchen nickte. »Und er will nicht? Sophie ist doch wirklich reizend. Findest du das nicht seltsam?«
    »Nein, er will partout nicht. Keiner versteht es, aber man kann ihn ja schließlich nicht zwingen.«
    Abrupt blieb Hannchen stehen. »Sag mal, Aglaia, seid ihr denn alle blind?«
    »Wieso, was meinst du?«
    »Er liebt dich ! Hast du denn nie etwas gemerkt? Wie er dich eben angesehen hat, da ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen.«
    Aglaia sah ihre Freundin fassungslos

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