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Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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Schlossteich«, rief er dem Kutscher zu. Er atmete tief durch. »Gott sei Dank sind sie auf dem Schiff. Ich hatte schon die schlimmsten Befürchtungen, dass Tante Elvira womöglich die Reise absagt.«
    »Ehrlich gesagt, ich auch. Aber nun kann sie ja nicht mehr zurück.«
    Eberhard sah auf seine Taschenuhr. »Ich hole dich gegen vier Uhr bei deiner Mutter ab. Bis dahin werde ich sicher alles erledigt haben.« Er runzelte die Augenbrauen. »Vielleicht wird das doch etwas knapp, also spätestens um halb fünf bin ich da.«
    »Beeil dich«, seufzte Aglaia. »Du weißt, wie lähmend diese Damenkränzchen bei Mama für mich sind.«
    In Wilhelmines Salon saßen bereits mehrere Damen bei Tee und Gebäck. Sie empfing ihre Tochter mit ausgebreiteten Armen. »Wie schön, dich zu sehen, mein Liebling«, rief sie. »Von Ursula hörte ich, dass Jesko und Elvira heute abreisen. Habt ihr sie zum Schiff gebracht? Wie geht es ihr, hat sie sich wieder erholt?«
    »Ich wusste gar nicht, dass Elvira krank war«, sagte Ursula von Eyersfeld erstaunt.
    »Nur ein kurzes Unwohlsein, ausgerechnet als Mama auf Birkenau war.«
    »Ach so.« Ursula begriff zum Glück sofort.
    Nachdem Aglaia alle Anwesenden begrüßt, man ihr überschwänglich zu Alexanders Geburt gratuliert und ihr blendendes Aussehen gelobt hatte, kam die allgemeine Unterhaltung über Kochrezepte und anderer Leute Nachwuchs schnell wieder in Fluss. Aglaia hörte nur mit halbem Ohr zu. Sie war todmüde. Zum ersten Mal seit Alexanders Geburt war sie seit dem frühen Morgen auf den Beinen. Doch sie wurde schlagartig wach, als die Namen von Louise und Ferdinand fielen.
    »Ich war kürzlich bei den Dhonas«, hörte sie eine Frau von Liebig sagen. »Deine Schwester hat ganz schön rumscharmutziert mit Ferdinand von Kaulitz.«
    »Was?« Wilhelmines Stimme klang schrill. »Das ist ja unerhört. Meine Schwester ist wirklich schamlos.«
    »Was findest du daran denn schamlos, Wilhelmine?« Philine von Dühnkern war erstaunt. »Deine Schwester ist seit Jahren verwitwet und Ferdinand ungebunden. Also ich kann daran nichts Verwerfliches finden.«
    »Meine Schwester macht vor gar nichts Halt!« Ihr Gesicht war wutverzerrt. »Und Ferdinand, na ja, sein Ruf ist ja auch nicht gerade der beste … Und wenn ich erst an Elvira denke …«
    Aglaia sah ihre Mutter entsetzt an. »Mama, mäßige dich, bitte! Wie kannst du nur so etwas sagen?« Unbemerkt von den Damen hatte Eberhard den Salon betreten.
    »Da kann ich meiner Frau nur beipflichten!«, sagte er mit kalter Stimme. »Aglaia, komm. Die Droschke wartet. Und bitte bemüh dich nicht, Schwiegermutter. Wir finden allein hinaus.«
    Eberhard war außer sich. »Ich begreife deine Mutter nicht. Wie kann sie sich nur so vergessen und in solcher Weise über Menschen sprechen, die ihr und vor allem uns, so nahestehen!«
    Aglaia brach in Tränen aus. »Ich weiß es nicht. Sie war wie eine Furie. Was ist nur in sie gefahren? Solche schrecklichen Dinge zu sagen, und das auch noch vor dieser Frau Klühspieß.«
    »Ja.« Eberhard lachte bitter. »Morgen spricht die ganze Stadt davon, da kannst du sicher sein. Auf jeden Fall werde ich das nicht auf sich beruhen lassen.« Er strich ihr zärtlich über das tränennasse Gesicht. »Beruhige dich, mein Schatz. Lass uns jetzt nicht mehr darüber reden. Morgen werde ich entscheiden, was zu tun ist.«
    Als sie auf Birkenau ankamen, begrüßte Willi sie in der Halle. »Hertha hat in der Bibliothek einen kleinen Imbiss für Sie angerichtet. Graf Ferdinand erwartet Sie dort.«
    »Sei mir nicht böse, wenn ich mich sofort zurückziehe, Eberhard«, sagte Aglaia. »Ich sehe nur kurz nach Alexander, dann werde ich mich hinlegen. Bitte entschuldige mich bei Onkel Ferdinand. Ich bin todmüde, und Appetit habe ich auch keinen.«
    Eberhard konnte sich gar nicht beruhigen. »Kannst du dir vorstellen, was in meine Schwiegermutter gefahren ist, solche Dinge zu sagen, und das auch noch vor ihrem gesamten Kaffeekränzchen?«, fragte er seinen Onkel, nachdem er einen Schnaps zur Beruhigung getrunken hatte. »Nur mein Erscheinen hat sie davon abgehalten, auch noch über Tante Elvira herzuziehen. Aglaia ist völlig außer sich.«
    Ferdinand zog bedächtig an seiner Zigarre. »Wilhelmine war einmal sehr schön. Auch ich gehörte zu ihren Verehrern. Nun ist sie eine verbitterte alte Frau, unglücklich, und wenn man es ehrlich aussprechen will, von ihrem Mann verstoßen.« Er nahm einen Schluck Port. »Habe ich das eigentlich schon

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