Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
Vom Netzwerk:
Aber er scheint sich nicht festlegen zu wollen.«
    »Eigenartig«, meinte Jesko. »Worauf wartet er denn bloß? Langsam müsste er ja wohl einen Erben produzieren.«
    »Nu übertreib man nicht«, lachte Eberhard. »Er ist gerade mal Ende zwanzig. Ein paar Jährchen hat er ja dafür noch Zeit.«
    Alexander und sein ein knappes Jahr jüngerer Bruder Ellart entwickelten sich prächtig. Die Eltern erzogen sie mit liebevoller Strenge, während Elvira und Jesko sie nach Strich und Faden verwöhnten. Aber die Brüder hätten unterschiedlicher nicht sein können. Ellart liebte es, ordentlich und hübsch gekleidet mit seiner Mutter oder Elvira zu spielen oder sich Geschichten vorlesen zu lassen, während Alexander sich für alles, was Landwirtschaft und Tiere betraf, interessierte. So nahm ihn Eberhard bereits von klein auf mit zu seinen Fahrten über Land, und wenn er etwas mit Basedow zu tun oder zu besprechen hatte, spielte Alexander mit dessen Kindern. So entstand eine innige Freundschaft mit Franz, Minchens Jüngstem. Sie tobten gemeinsam durch die Ställe, spielten mit den Hunden, und wenn Eberhard ihn abholte, um nach Hause zu fahren, war sein Sohn schmutzig und roch nach Mist und Kuhstall.
    »Igitt, du stinkst!«, rief Ellart dann angeekelt, und die Mamsell musste ihn erst in den Waschzuber stecken, bevor er mit seinen Eltern zu Tisch gehen durfte. Aber außer Ellart störte sich niemand daran.
    »Er kommt nach uns, Eberhard«, sagte Jesko hin und wieder stolz. »Die Landwirtschaft steckt ihm im Blut.«
    »Da magst du recht haben, Papachen«, meinte Eberhard, und seine Augen strahlten. »Nichtsdestotrotz muss der Junge zum Militär«, meinte Jesko. »Schließlich ist er der Älteste. So war es immer in unserer Familie.«
    »Ach Vater!« Eberhard schlug seinem Vater freundschaftlich auf die Schulter. »Der Junge ist ja gerade man sechs, wer weiß, was die Zeit noch so alles bringt.«
    Jede Woche spielte Jesko mit seinen Freunden Dühnkern, Eyersfeld und Hartmann Whist in der häuslichen Bibliothek. »Habt ihr was von Horst gehört?«, fragte er eines Nachmittags, nachdem sie eine Partie zu Ende gespielt hatten. »Die Renovierung von Wallerstein zieht sich ja schon seit Monaten hin – ach, was sage ich, über ein Jahr! Wie macht er das bloß? Und in Berlin hat er sich vor kurzem auch noch ein Stadtpalais gekauft, direkt am Tiergarten.«
    »Nun, die Wirtschaft boomt.« Legationsrat Hartmann zog bedächtig an seiner Zigarre. »Und wie ihr wisst, hat Horst dort offensichtlich sein Geld gut angelegt.«
    »Also ich traf kürzlich Herzberg in Königsberg.« Graf Dühnkern schüttelte bedenklich den Kopf. »Der meint, es könne in nächster Zeit einige Turbulenzen an den Börsen geben. Die Neuemissionen der letzten Jahre seien deutlich überzeichnet, und wenn man könne, soll man einen großen Teil seiner Aktien langsam abstoßen.«
    »Na, hoffentlich hat der Horst davon inzwischen Wind gekriegt«, näselte Eyersfeld, der umständlich sein Monokel putzte.
    »Ich denke mal, Herzberg wird so anständig sein und ihn das wissen lassen«, meinte Jesko. »Aber was zerbrechen wir uns darüber den Kopf! Wie ist es, meine Herren, noch Lust auf ein Spielchen vor dem Abendessen?«
    Und Herzbergs Prognosen sollten sich bewahrheiten. Bereits im Spätsommer begann es in aller Welt an den Börsen zu kriseln. Als Erstes brachen in Amerika die Kurse ein, dann schwappte die Welle nach England hinüber und kurz darauf nach Deutschland. Die Menschen rannten den Banken die Türen ein, um zu retten, was zu retten war.
    Mitte September, es war ein warmer Spätsommertag, erschien Horst Wallerstein überraschend auf Birkenau. Die Familie saß auf der Terrasse und genoss die letzten warmen Sonnenstrahlen. Nichts deutete darauf hin, dass es bald Herbst werden würde. Noch blühten die Rosen in voller Pracht, und die Blätter der Laubbäume zeigten keinerlei Verfärbung. Elvira spielte mit Ellart, er war jetzt sechseinhalb Jahre alt, Halma, Aglaia und Jesko lasen. Sie warteten auf Eberhard und Alex, die demnächst zum Abendbrot aus Linderwies zurückerwartet wurden. Ellart schlug gerade wütend auf das Halmabrett – er hasste es zu verlieren –, als Willi meldete: »Graf von Wallerstein ist soeben eingetroffen.«
    Aglaia ließ ihr Buch fallen und fiel ihrem Vater um den Hals. »Papachen, was für eine Freude, dich zu sehen!« Nachdem Horst alle begrüßt hatte, sank er erschöpft in einen Sessel.
    »Was führt dich so plötzlich hierher?«, fragte

Weitere Kostenlose Bücher