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Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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kam ein Eilbrief aus England. Mein Onkel ist gestorben.«
    »Unser herzlichstes Beileid, mein Junge«, sagte Jesko. »Ist es das, was dich so mitnimmt?«
    »Nein … ja … natürlich auch. Er war ja mein letzter lebender Verwandter.« Er stockte einen Moment. »Aber das ist es nicht allein. Mein Onkel war kinderlos, und sein Nachlassverwalter schreibt, er hat mich als seinen Erben eingesetzt. Er vermacht mir seinen Landsitz mitsamt seinem Titel und einer monatlichen Leibrente. Es soll nicht sehr viel sein, aber es würde mir ein sorgenfreies Leben ermöglichen.«
    »Das ist ja fabelhaft, mein Junge«, rief Jesko, »so eine Fügung aber auch!«
    Eberhard schlug ihm lachend auf die Schulter. »Das ist wirklich eine Überraschung. Gratuliere, alter Lorbass.«
    »Das freut mich für dich«, sagte nun Elvira, »aber du selbst scheinst darüber gar nicht so glücklich zu sein. Warum?«
    »Ich kann das Erbe nur antreten, wenn ich in Zukunft in England lebe. Es ist erforderlich, dass ich sofort dorthin reise. Ich fahre bereits morgen.« Er saß da wie ein Häufchen Elend, den Tränen nahe. Elvira sagte später, er hätte ausgesehen wie ein armes verlorenes Kind. »Es fällt mir so schrecklich schwer, euch zu verlassen. Ihr seid doch jetzt meine Familie.« Verzweifelt knetete er seine Hände. Nun redeten alle durcheinander.
    »Was, schon morgen?«
    »Ach Jungchen, das ist ja man nu wirklich ein bisschen plötzlich.«
    »Du wirst uns fürchterlich fehlen!« Nach einer knappen Stunde, in der man versuchte, ihm klarzumachen, dass dieses Erbe doch mit Sicherheit das Beste für ihn war, erhob sich Clemens. »Ich muss mich leider verabschieden. Es gibt noch so viel zu erledigen. Sowie ich in England ankomme, werde ich euch schreiben.«
    »Da möchte ich aber auch drum bitten«, rief Jesko. »Wir wollen doch wissen, wie es dir so ergeht in deiner neuen Heimat.«
    Clemens verabschiedete sich von allen mit einer Umarmung. »Ich danke euch noch einmal von ganzem Herzen für alles, was ihr für mich getan habt. Nie in meinem ganzen Leben werde ich das vergessen.« Dann stürmte er hinaus. Niemand sollte seine Tränen sehen.
    Clemens’ gesellschaftlicher Aufstieg verbreitete sich wie ein Lauffeuer im ganzen Landkreis. »Soso, ein englischer Lord ist er jetzt, der kleine Mühlau?«, sagte Louise erstaunt, die die Neuigkeit von Philine von Dühnkern erfuhr, als sie gemeinsam bei Wilhelmine den Tee nahmen. »Donnerwetter, das nenne ich eine honorige Erbschaft. Aber habe ich euch nicht seinerzeit gesagt, wahrscheinlich ist er ein verwunschener Prinz.«
    »Ja«, lachte Philine, »ich erinnere mich. Aber stellt euch vor, er hat nicht nur den Titel geerbt, sondern auch einen Landsitz außerhalb von London und ein angemessenes Jahreseinkommen dazu. Wir alle gönnen es ihm wirklich von ganzem Herzen. Obwohl er uns und vor allem den Kaulitzens schon sehr fehlt. Er war ein so angenehmer und liebenswerter Unterhalter.«
    »Na, vielleicht wird dieses Minchen Basedow auch plötzlich zu einer Prinzessin«, sagte Wilhelmine spitz. »Sie soll ja neuerdings die beste Freundin meiner Tochter sein.«
    »Minchen – wer?« Louise, die diesen Namen noch nie gehört hatte, sah ihre Schwester fragend an.
    »Na, dieser Bauerntrampel … Die Frau des Inspektors von Linderwies.«
    »Woher weißt du denn das schon wieder?«, fragte Louise mit hochgezogenen Augenbrauen. Manchmal fand sie ihre Schwester wirklich grässlich!
    »Ich habe so meine Quellen.« Wilhelmine würde den Teufel tun und verraten, dass ihr Diener Franz ein Cousin von dem Birkenau’schen Kutscher Josef war und dessen Mutter wiederum die beste Freundin der Mamsell von Wallerstein. So war sie stets auf dem Laufenden, was sich auf beiden Schlössern tat.
    »Also, beste Wilhelmine, ich glaube, da übertreibst du wohl ein bisschen«, mischte sich Philine jetzt ein. »Dieses Minchen Basedow scheint eine ganz patente Person zu sein. Aglaia erzählt manchmal von ihr. Sie haben schließlich gleichaltrige Kinder und tauschen Erfahrungen aus, und die Kinder …«
    »Das ist ja nun wirklich nicht der richtige Umgang, weder für eine Gräfin Kaulitz noch für meine Enkel. Ich verstehe nicht, dass Elvira das zulässt.« Wilhelmine fächerte sich empört Luft zu. »Bauerjungen – einfach unmöglich!«
    »Weißt du, Wilhelmine, mit deinem Dünkel kannst du einem ganz schön auf die Nerven gehen.« Louise kam jetzt richtig in Fahrt. Was bildete sich ihre Schwester überhaupt ein? »Was hat denn Elvira damit zu

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