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Himmel über Tasmanien

Himmel über Tasmanien

Titel: Himmel über Tasmanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McKinley
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Männer steckten in Anzügen oder den praktischeren Baumwollhosen und Hemden, die breitrandigen Hüte tief ins Gesicht gezogen. Schade, dass Molly nicht mitgekommen war, sie hätte so gern die Gelegenheit ergriffen, sich fein zu machen, aber Dianne war einfach nicht fähig, sich um alles zu kümmern, und Molly hatte gezögert, ihr die Verantwortung zu überlassen.
    Ihr Blick blieb an dem Reiterzug hängen, der stets in Bewegung war, und erstarrte – die Szenerie ringsum verblasste, bis nur noch Gwen in ihrem Sichtfeld war. Sie führte ein Pferd über den Pfad und hatte sie noch nicht gesehen, doch Lulu schlug das Herz bis zum Hals. Sie hatte sich den dämonischen Erinnerungen gestellt – jetzt musste sie der Schöpferin der Dämonen gegenübertreten.
    Gwens Züge erstarrten, als sich ihre Blicke trafen. Ihre Lippen wurden schmal, und ihr Blick war unverhohlen feindselig.
    Lulu war gefangen.
    Gwen taxierte Lulus Gestalt mit kalten, unpersönlichen Blicken, und ein verächtliches Schnauben kräuselte ihre roten Lippen, als sie wieder auf ihr Gesicht sah. Ihr Schritt wurde noch langsamer, als wäre sie sich der Wirkung, die sie auf Lulu hatte, vollauf bewusst, als wolle sie den Moment absichtlich in die Länge ziehen.
    Lulu wappnete sich, um dem prüfenden Blick standzuhalten, denn sie wusste, wenn sie davor zurückschreckte, würde es Gwen nur eine kranke Befriedigung verschaffen. Sie sah das Haar ihrer Mutter, das offenbar gefärbt war, das übertriebene Make-up, die Kleidung, die eigentlich für eine viel jüngere Frau entworfen worden war. Die helle Sonne betonte die Falten um ihre Augen und den zu einem Grinsen verzogenen Mund und hob die schlaffe Kieferpartie hervor. Gwen war noch keine fünfzig, aber sie war nicht gut gealtert.
    Gwens schäbiges Grinsen erlosch, als Lulu ihrem Blick nicht auswich, und sie ging schneller, während sie das Ende der Tribüne erreichte und die Pferdeboxen auf der anderen Seite des Platzes anstrebte.
    Lulus Herz schlug erstaunlich gleichmäßig, als sie Gwen in der Menge verschwinden sah. In dem flüchtigen Augenblick hatte sie erkannt, dass sie von dieser verwelkten und verbitterten Frau nichts zu befürchten hatte, sie empfand kein Mitleid für ihre kläglichen Versuche, über ihr Alter hinwegzutäuschen, und schon gar keine Liebe. Der kurze, stumme Schlagabtausch hatte ihren Abscheu voreinander nur noch vertieft.
    Er hatte die wortlose Begegnung mit Neugier und Interesse beobachtet. Es lag auf der Hand, dass sie nichts füreinander übrig hatten, was nicht überraschend war, aber Gwen hatte Lorelei mit Blicken herausgefordert, und die jüngere Frau hatte diese gelassen erwidert. Ob Gwen davon betroffen war,konnte er nicht in Erfahrung bringen, denn ihr Gesichtsausdruck verriet nichts.
    Er sah zurück zu Lorelei, die ungerührt auf der Tribüne saß, als wäre nichts geschehen. Sie mochte zwar ganz und gar nicht auf ihre Mutter herauskommen, aber sie hatte von ihr auf jeden Fall die Kunst der undurchdringlichen Miene geerbt, dachte er sarkastisch.
    Gwen war schneller gegangen, und er verschmolz rasch mit den Schatten, als sie an ihm vorbeikam. Er konnte nicht riskieren, gesehen zu werden, denn sie würde sofort wissen, wer er war, und er war nicht bereit, entlarvt zu werden, bevor er seinen Plan ausgeführt hatte.
    »Du bist so still«, sagte Joe, als sie die Rennbahn verließen und wieder zum Haus zurückfuhren. »Beschäftigt dich etwas?«
    »Ich habe heute meine Mutter gesehen.«
    Joe wirkte sogleich besorgt und schaute sie an. »Das muss ein Schock gewesen sein nach allem, was vor zwei Wochen passiert ist.«
    »Das war es zuerst auch«, erwiderte sie, »weil ich nicht darauf vorbereitet war.«
    »Was hat sie gesagt?«
    »Wir haben nicht miteinander gesprochen. Die Blicke, die wir gewechselt haben, sagten alles.«
    Er fuhr eine Weile schweigend weiter, seine Gedanken überschlugen sich, während er nach Worten suchte.
    »Bitte, mach dir meinetwegen keine Sorgen, Joe«, sagte sie, als wüsste sie, was er dachte. »Ich habe heute eine unschätzbar wertvolle Lektion gelernt.«
    »Und die wäre?«
    Lulu lehnte sich auf ihrem Sitz zurück, den Ellenbogen aus dem offenen Fenster gestreckt. »Dass ich Gwen sehr viel zu verdanken habe«, sagte sie unumwunden. Sie bemerkte seineerstaunte Miene und lachte. »Ich bin dankbar, dass sie mich nicht wollte, weil Clarice die beste Mutter war, die man haben konnte. Ich bin dankbar, dass ihre Verachtung und Weigerung, mich anzuerkennen, mir die

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