Himmel über Tasmanien
loszuwerden.«
Sie betrachteten die ziemlich bedrohlichen Ölgemälde an einer Wand in der Nähe, und Lulu überkam ein vertrautes Gefühl des Unbehagens. Maurice’ Seelenqualen kamen in seinen Kunstwerken nur allzu deutlich zum Vorschein. Sie traten in der dunklen Farbe, den verzerrten Gestalten und gequälten Blicken zutage – selbst in den unregelmäßigen, wütenden Spachtelstrichen –, doch die Welt hatte sich fortbewegt von diesem Entsetzen. Bertie hatte recht; sie würden sich nur schwer verkaufen lassen.
Sie nippte an ihrem Champagner und beugte sich näher zu ihm. »Hat man eigentlich schon etwas von mir gekauft, oder sind sie nur wegen des Champagners hier?«
Fragend zog er eine schwarze Augenbraue hoch. »Mein liebes Kind, was für eine Frage.« Er nahm ihren Arm und führte sie in eine ruhige Ecke, in der sein Assistent über den Auftragsbüchern saß. »Ich muss dir etwas zeigen.«
Lulu war wie betäubt, als er die Bücher durchging. Jede der acht Skulpturen hatte eine limitierte Stückzahl von sechs.Von jeder würde sie selbst eine behalten, doch für fast alle anderen war bereits ein Auftrag erteilt. Sie lehnte sich an eine geeignete Säule und starrte ihn an, unfähig, ein Wort hervorzubringen.
Mit beinahe selbstgefälligem Lächeln strich er sein Haar zurück. »Nach dem heutigen Abend, Lulu Pearson, wirst du in London gefeiert werden.« Er prostete ihr zu und trank sein Glas leer. »Ich freue mich für uns beide«, sagte er. »Und da ich bereits mehrere Anfragen für Auftragsarbeiten erhalten habe, hoffe ich, dass du nicht vorhast, im kommenden Jahr irgendwohin zu gehen.«
Das große Abendessen in Berties Villa in Knightsbridge war ein glänzender Erfolg, und als Lulu aus dem Taxi stieg, merkte sie, dass der Morgen bereits graute. Clarice hatte sich vor ein paar Stunden in ihr Hotelzimmer zurückgezogen, doch Lulu war noch geblieben, beschwingt von Aufregung und Champagner. Jetzt war sie erschöpft und sehnte sich nach dem Bett in dem Bewusstsein, dass sie wie immer dafür büßen musste, wenn sie es übertrieb. Ihr Herz pochte ziemlich schmerzhaft, als sie die Fenster in der oberen Etage betrachtete. Alles war dunkel. Maurice war entweder noch unterwegs, oder er schlief, was wahrscheinlicher war.
Sie klammerte sich ans Geländer, als sie die Betonstufen zur Gartenwohnung hinaufging, und blieb einen Moment stehen, um zu verschnaufen, bevor sie die Tür öffnete. Sie ließ ihre Tasche und die geliehene Stola auf den Tisch in der schmalen Diele fallen, streifte die Seidenschuhe ab und tapste in die Küche, um Kakao zu machen.
Als sie die Tasse durch den Flur trug, bemerkte sie, dass unter ihrer Schlafzimmertür Licht hervordrang, und runzelte die Stirn. Sie hätte schwören können, dass sie die Lampen gelöscht hatte, bevor sie ging. Sie öffnete die Tür und ließbeinahe die Tasse fallen beim Anblick von Maurice, der sich in dem Sessel vor ihrem Gaskamin räkelte. »Was um alles in der Welt machst du denn hier?«
Er quälte sich aus dem Sessel und fuhr mit den Fingern durch sein unordentliches Haar. »Ich dachte, ich bleibe so lange auf, bis du zurückkommst«, erwiderte er kaum hörbar. »Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe.«
»Danke, aber das war nicht nötig.« Sie hatte ihn bitten wollen, ihr den Schlüssel zurückzugeben, aber aus irgendeinem Grund hatte sie es immer wieder vergessen, und jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, sich darüber zu zanken.
»Wie ist’s denn gelaufen?«
Trotz ihrer Erschöpfung musste sie unwillkürlich lächeln. »Hervorragend – und du wirst es nicht glauben – Bertie hat eines deiner Gemälde verkauft.«
»Tatsächlich?« Maurice’ Gesicht verzog sich plötzlich zu einem Lächeln. »Welches?«
Lulu sank auf das Bett und betrachtete sehnsüchtig die Kissen, während sie versuchte, sich an den Titel der Landschaft zu erinnern. »Sturm über der Somme«, antwortete sie gähnend. »Entschuldige, Maurice, aber ich bin erledigt. Ich muss schlafen.«
»Ich weiß, es ist spät, aber du kannst doch nach so guten Nachrichten unmöglich schlafen wollen. Das könnte doch wirklich ein Anfang für mich werden, was meinst du?«
Lulu ging davon aus, dass Bertie das Gemälde aus Gefälligkeit gekauft hatte, würde es Maurice aber niemals verraten. Der arme Kerl brauchte Aufmunterung, und der Verkauf von nur einem seiner Bilder hatte das bereits geschafft – aber sie ärgerte sich, dass er sich nicht einmal nach ihren Verkäufen erkundigt hatte.
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