Himmel über Tasmanien
»Vielleicht ist ja damit deine Anwesenheit bei der nächsten Ausstellung gewährleistet«, sagte sie sarkastisch. »Bertie war über deine Abwesenheit ganz und gar nicht erfreut.«
Wieder fuhr er sich mit den Fingern durch die Haare und zuckte mit den Schultern. »Ich wäre ja gekommen, aber du weißt, wie es ist. Ich konnte diesen vielen Menschen nicht gegenübertreten.«
»Ich weiß«, seufzte sie, »aber wenn du es wirklich zu einem Künstler bringen willst, dann musst du einen Weg finden, mit dieser Angst umzugehen.« Sie schaute zu ihm auf, während er in dem kleinen Zimmer auf und ab schritt. Offensichtlich war er über die Neuigkeiten freudig erregt, aber sie hatte nicht die Kraft, sich damit zu beschäftigen. »Geh zu Bett, Maurice, und lass mich schlafen, sonst bin ich zu nichts zu gebrauchen.«
»Aber ich muss reden, Lulu. Das …«
Ihr Geduldsfaden riss. »Geh jetzt«, fuhr sie ihn an. »Ich habe einen anstrengenden Tag hinter mir und brauche Schlaf. Reden können wir später.«
»Oh, gut, wie du meinst.« Er ließ den Kopf hängen und begab sich zur Tür.
Lulu sank in die Kissen und schloss die Augen. Sie bedauerte ihren Ausbruch, war aber zu kraftlos, um sich zu entschuldigen. Wenigstens ging er.
Maurice hatte seine Hand auf der Türklinke, als er es sich anders überlegte. »Übrigens, da ist ein Brief für dich gekommen. Ich hab ihn auf den Kaminsims gelegt.«
Lulu beobachtete ihn aus fast geschlossenen Augen, während er noch bei der Tür verweilte und offensichtlich auf eine Reaktion wartete. Da die nicht erfolgte, zuckte er erneut mit den Schultern und schloss die Tür nicht gerade leise hinter sich.
Sie lag da und sah zu, wie die flackernden Schatten vom ersten Licht des Tages verschlungen wurden, das durch ihr Fenster zu dringen begann. Ihr Herz schlug ungleichmäßig, und ihre Brust war so beengt, dass ihr das Atmen schwerfiel – doch nachdem sie sich auf dem weichen Bett entspannthatte, ließ das unangenehme Gefühl nach, und ihr Pulsschlag normalisierte sich allmählich. Sie hatte es mit dem heutigen Tag auf jeden Fall übertrieben, und Maurice hatte das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht.
Sie war beinahe sofort eingeschlafen, und als sie erwachte, ging die Sonne schon wieder unter, der Kakao war kalt. Es war Zeit für das Abendessen. Sie richtete sich auf und merkte, dass sie noch immer die Kleidung vom Abend zuvor trug. Sie beschloss, ein Bad zu nehmen. Clarice erwartete sie im Hotel zum Dinner.
Erfrischt und entspannt nach dem Bad ging sie in ihr Schlafzimmer zurück. Ihr Blick fiel auf den Brief, den Maurice auf dem Kaminsims hinterlassen hatte. Die Schrift kam ihr bekannt vor. »Sieht so aus, als würde Mr. Reilly sich für seinen Fehler entschuldigen«, murmelte sie mit schiefem Lächeln.
Sie wollte ihn schon liegen lassen, bis sie vom Dinner zurückkam, überlegte es sich aber anders – vielleicht war es interessant, herauszufinden, wie es zu diesem Irrtum gekommen war und welche Entschuldigung er sich hatte einfallen lassen. Doch als sie die Seite durchlas, wurde ihr klar, dass es ganz und gar keine Entschuldigung war.
Liebe Miss Pearson,
Ihre Antwort hat mich beunruhigt, und ich habe mich zunächst gefragt, ob ich womöglich die falschen Informationen bekommen hatte. Doch Mr. Carmichael versichert mir, dass Sie die Besitzerin von Ocean Child sind. Die Papiere, die es beweisen, füge ich bei.
Ich habe mich über den Erwerb von Ocean Child und den Charakter Ihres Mr. Carmichael näher erkundigt und kann in beiden Fällen nichts Ungehöriges feststellen. Dass Sie denBesitz jedoch abstreiten, bringt mich in eine peinliche Lage. Bitte überprüfen Sie die beigefügten Dokumente sorgfältig, und wenn Sie dann noch immer behaupten, dass Sie von diesem Kauf nichts wissen, dann werde ich einen Anwalt zu Rate ziehen müssen. Meine Konzession für den Rennstall steht auf dem Spiel, wenn auch nur der leiseste Zweifel daran aufkäme, wer der Besitzer von Ocean Child ist, und obwohl er eines der vielversprechendsten Pferde ist, die ich je trainiert habe, kann er weder an Rennen teilnehmen noch verkauft werden, bis diese Frage geklärt ist.
Über eine rasche Antwort würde ich mich freuen.
Joe Reilly
Lulu las den Brief noch einmal, bevor sie die Dokumente durchblätterte, die Joe Reilly mitgeschickt hatte. Die Verkaufsurkunde und die Zulassungspapiere sahen mit Siegeln und Stempeln und vergoldeten Buchstaben wichtig aus – doch da sie so etwas noch nie zuvor gesehen hatte,
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