Himmel über Tasmanien
kniff dieAugen fest zusammen in der Hoffnung, dass diese schreckliche Reise bald vorbei wäre. Sie musste an Clarice denken – nur an Clarice.
Der Motor kreischte, als Finlay die Maschine erneut herunterzog in dem Versuch, unter das Gewitter zu kommen. Sie befanden sich über einem schäumenden schwarzen Meer, konnten nirgendwo landen und waren gezwungen, die Reise fortzusetzen.
Dann setzte der Regen ein, hart, schwer und gnadenlos. Schon bald waren sie bis auf die Haut durchnässt, die eisigen Nadeln prasselten auf die freiliegende Haut und machten sie blind, als sie ihre Schutzbrillen trafen. Lulu und Dolly hingen aneinander, ihre leisen Gebete und Schluchzer ertranken im wilden Missklang der Natur.
Stunden später, wie es schien, flogen sie endlich in einen klaren Himmel mit funkelnden Sternen. »Na bitte, Ladys«, rief Finlay. »Keine Bange. Sollten in ungefähr einer Stunde landen, versuchen Sie doch, ein bisschen zu schlafen.« Er grinste sie über die Schulter hinweg an, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder seinen Skalen und Hebeln zuwandte.
Sie waren klatschnass und zitterten vor Kälte und Angst, als sie die letzten Tropfen Weinbrand teilten. Schlafen konnten sie nicht.
Die Maschine dröhnte weiter durch die Nacht und erreichte am frühen Morgen Medan am Nordufer von Sumatra. »Festhalten, Ladys«, schrie Finlay. »Die Landung hier ist immer ein bisschen haarig!«
Lulus bereits erschöpfter Mut sank noch weiter, als sie zur Seite schaute. Die Landepiste war schmal und von Palmen und Eingeborenenhütten gesäumt. Sie endete abrupt am Rand einer steilen Klippe, die in die Straße von Malakka abfiel.
Sie schloss die Augen und ergriff Dollys Hand, währenddas Flugzeug vom Himmel zu fallen schien und mit einem Schlag aufsetzte, der ihnen durch alle Knochen fuhr. Von der schieren Kraft der Geschwindigkeit in ihren Sitz gedrückt seufzten sie vor Erleichterung, als die Maschine schlitternd zum Stehen kamen.
»Das war doch gar nicht so schlimm, oder?« Finlay grinste breit. »Hab Ihnen doch gesagt, dass es gut gehen würde.«
Lulu und Dolly nickten dumpf in dem Versuch, wieder zur Besinnung zu kommen und die Kraft aufzubringen, aus ihrem Gefängnis zu klettern.
»Sie sollten sich lieber beeilen, Ladys. Das Schiff legt in einer halben Stunde ab.« Er hievte die beiden heraus und stellte sie vorsichtig auf den Boden. »Sie werden bald wieder trocken«, sagte er, nachdem er ihr ramponiertes Äußeres betrachtet hatte.
Sie spürten die kraftzehrende Feuchtigkeit eines tropischen Regenwaldes, während sie sich mühsam aus ihren dampfenden, durchweichten Mänteln schälten. Aber sie hatten keine Zeit, auf die lächelnden Eingeborenen einzugehen, die in ihren bunten Sarongs gekommen waren, um sie zu begrüßen, oder auf die bezaubernden nackten Kinder, die aus den Langhäusern des Dorfes ausschwärmten und sie umringten, denn Finlay schob sie schon weiter.
»Gute Güte«, murmelte Dolly, als er auf den rostigen Frachter deutete, der sie nach Colombo bringen sollte. »Sie erwarten doch nicht ernsthaft von uns, dass wir damit fahren, oder?«
»Ihnen bleibt nichts anderes übrig, Schätzchen«, sagte Finlay und kratzte sich den Stoppelbart. »Das Schiff ist zwar nicht schön, aber es ist das einzige, das diese gottverlassene Gegend in dieser Woche verlässt. Sie haben Glück, überhaupt eine Überfahrt bekommen zu haben.« Er stieß sie mit dem Ellenbogen an. »Kommen Sie, sonst werden Sie bis nächsten Donnerstag hier festsitzen.«
Lulu fiel das Atmen in der feuchten Luft schwer, als sie den steilen Abhang hinter Finlay und Dolly hinabtaumelte. Sie war erschöpft von der Reise, ihr war kalt, sie zitterte und hatte Angst, denn ihr Herz schien mit alarmierender Frequenz zu stolpern und zu rasen. Doch Finlay ließ ihr keine Zeit, in ihrer Tasche nach Tabletten zu suchen, und so riss sie sich auch weiterhin zusammen in der Hoffnung, nicht zusammenzubrechen, bevor sie das Schiff erreichte.
Die Taue wurden gerade von den Pollern gewickelt, und die Matrosen zogen die Gangways ein, als sie an den chaotischen Anleger kamen. Finlay begann zu laufen, wedelte mit den Armen und schrie mit dröhnender Stimme: »Halt, Kumpel, warte!«
Dolly griff nach der Tasche, warf Lulu einen Blick zu und nahm sie an die Hand. »Wir sollten lieber rennen, sonst fahren sie ohne uns los.«
»Ich weiß nicht, ob ich das kann«, keuchte Lulu. »Geh du, ich komme nach.«
Dollys grüne Augen wurden dunkel. »Ich lasse dich nicht allein.
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