Himmel über Tasmanien
nicht offen sagte, was sie gemacht hatte, wäre es unmöglich, Hilfe zu bekommen.
Schließlich hörte Dolly auf zu weinen, zog sich aus Lulus Umarmung zurück und schnäuzte sich die Nase. »Normalerweise bringt Pa alles für mich in Ordnung, aber natürlichkann ich ihm das unmöglich erzählen. Das würde er mir nie verzeihen.«
»Bist du dir dessen so sicher? Er hat dir schon einmal verziehen, und er ist ein einflussreicher Mann, der vielleicht in der Lage ist, der Sache ein Ende zu bereiten.«
»Ich könnte es nicht ertragen, die Enttäuschung und den Ekel in seinem Gesicht zu sehen und bis an mein Lebensende damit zu leben.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, diesmal muss ich selbst einen Weg aus dem Schlamassel finden, den ich angerichtet habe.«
Lulu ging wieder zu der Couch, während Dolly den Raum durchquerte und ihnen einen starken Gin mit Tonic eingoss. Schweigend saßen sie da, während die Standuhr in der Diele tickend die Minuten zählte.
»Mir kommt da gerade eine ausgezeichnete Idee«, rief Dolly und sprang auf. »Soll ich nicht mit dir nach Australien fahren?«
Lulu war vor Schreck sprachlos. Sie liebte Dolly und wusste ihre Freundschaft zu schätzen, doch Dolly konnte übermächtig sein und neigte dazu, aus dem Ruder zu laufen – wie diese neueste Eskapade gezeigt hatte. Sechs Wochen mit ihr auf einem Schiff würden ihre Freundschaft auf eine harte Probe stellen. »Du würdest nicht gern so lange auf einem Schiff eingepfercht sein«, sagte sie hastig.
Dollys Augen leuchteten vor Erregung auf. »Ich liebe das Leben an Bord«, schwärmte sie, »diese ganzen schönen Offiziere, die sternenklaren Nächte, der Tanz an Deck.«
»Das ist ja gerade das Problem«, bemerkte Lulu trocken.
»Ach, Schätzchen , sei nicht so spießig . Man sollte ja meinen, du wärst in Clarice’ Alter, wenn man dich so reden hört.«
»Irgendjemand muss hier ja einen klaren Kopf behalten. Wir könnten monatelang fort sein, und dir wird die Londoner Rennsaison fehlen. Außerdem scheinst du Freddy vergessen zu haben.«
Dolly sackte auf ihrem Sessel zusammen. »Die Saison ist ermüdend geworden mit Ascot, Wimbledon und Henley ohne Ende – und ich will auf keinen Fall riskieren, diesem Mann noch einmal über den Weg zu laufen.« Sie schauderte. »Freddy stellt ein gewisses Problem dar, vermute ich, aber vielleicht wird uns die Trennung guttun.«
»Meinst du nicht, es wäre netter, die Verlobung zu lösen, Dolly? Offensichtlich liebst du ihn nicht.«
»Vermutlich sollte ich das«, murmelte sie, »aber ich bin ziemlich gern mit ihm zusammen. Er ist zuverlässig und vertraut, und er bringt mich wirklich zum Lachen.«
»Nicht so ganz das Rezept für eine lange und glückliche Ehe.«
»Wir schweifen ab«, sagte Dolly ungehalten. »Ich muss aus London verschwinden, bis sich die Sache beruhigt hat. Du fährst nach Australien. Für mich ist es da nur sinnvoll, wenn ich mitkomme. Was meinst du?«
Lulu hatte zahlreiche Bedenken, doch sie sah das Flehen in den Augen ihrer Freundin und wusste, dass sie nicht ablehnen konnte. »Na schön«, sagte sie zögernd, »aber du musst mir hoch und heilig versprechen, dass du daraus eine Lehre ziehst und versuchst, dich zu benehmen.«
Dolly zog sie von der Couch und umarmte sie. »Du wirst es nicht bereuen, das verspreche ich.« Sie grinste wie ein Schulmädchen. »Komm, wir gehen in die Stadt, ein bisschen einkaufen. Zunächst müssen wir uns komplett neu einkleiden für die Tropen, und du musst mich beraten, was ich für Tasmanien brauche. Gute Güte, so aufgeregt war ich schon seit Jahren nicht mehr. Was für ein Abenteuer!«
Lulu sank auf das Sofa, während Dolly aus dem Zimmer lief, um sich umzuziehen. Sie bereute ihre Entscheidung bereits, und der Gedanke, Dolly durch das Minenfeld aus Offizieren, Mitreisenden, tasmanischen Pferdetrainern und derRennbahngesellschaft zu lotsen, jagte ihr Angst ein. Die friedliche Heimkehr, die sie geplant hatte, war gescheitert, noch bevor sie begonnen hatte.
Die Wärme des Tages war verschwunden, während die Sonne unterging, jetzt lag Kälte in der Luft, die für den Morgen schweren Tau vermuten ließ. Das dreistöckige Reihenhaus lag im Dunkeln, und Lulu atmete erleichtert auf. Nach dem langen Einkaufsbummel mit Dolly war sie erschöpft, und das Letzte, was sie brauchte, war eine weitere Auseinandersetzung mit Maurice. Doch als sie gerade den Schlüssel ins Schloss ihrer Erdgeschosswohnung stecken wollte, wurde die Tür aufgerissen.
»Wo bist
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