Himmel über Tasmanien
du gewesen?« Maurice’ Haare waren zerzaust, seine Augen glühten in dem ausgemergelten Gesicht.
Lulu zügelte ihre Ungeduld, als sie sich an ihm vorbeischob. »Ich war bei Dolly«, sagte sie kurz angebunden, »dabei geht es dich gar nichts an.«
»Was hat der Anwalt gesagt?« Maurice folgte ihr durch den Flur.
Lulu ließ ihre Tasche und die Schlüssel auf den Tisch fallen und holte tief Luft. »Die Papiere sind echt«, erwiderte sie und drehte sich in dem engen Raum zu ihm um.
»Also verkaufst du das Pferd?«
»Nein, Maurice. Dolly und ich fahren nach Tasmanien.«
»Aber das kannst du nicht machen«, platzte er heraus, und er fuhr sich durch die Haare, was sie noch mehr durcheinanderbrachte. »Ich brauche dich hier. Hier ist es zu groß und zu leer ohne dich, und du weißt, dass ich es verabscheue, wenn du weggehst.«
Lulus Energie ließ rasch nach. »Die Auseinandersetzung hatten wir heute Morgen«, sagte sie ruhig, »und ich möchte sie nicht fortsetzen. Ich habe mich entschieden, und du wirstmich nicht aufhalten, ebenso wenig wie Clarice.« Sie streckte die Hand aus und berührte seinen Arm, doch er schüttelte sie ab. »Tut mir leid, Maurice«, murmelte sie, »aber ich muss es tun. Bitte versuche es zu verstehen.«
»Ich verstehe es ganz und gar nicht«, sagte er wehleidig. »Du bist egoistisch, Lulu. Du weißt, dass ich ohne dich nicht richtig arbeiten kann.«
»Natürlich kannst du das«, entgegnete sie rundheraus, »und wenn du mal aufhören würdest, an dich selbst zu denken, würdest du vielleicht feststellen, dass du hier der Egoist bist, nicht ich.« Sie drehte sich um und begab sich zur Küche, wobei sie sich seiner schweren Tritte hinter ihr nur allzu bewusst war.
Das Schweigen war erdrückend, während sie darauf wartete, dass das Wasser im Kessel kochte, doch sie war entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen. An diesem Tag hatte sie genug Dramen erlebt, noch mehr konnte sie einfach nicht ertragen.
»Ich komme mit«, verkündete er in die Stille hinein. »Zwei Mädchen allein ohne Aufpasser wären nicht sicher.«
Alarmiert nahm Lulu ihre fünf Sinne zusammen, fest entschlossen, nicht nachzugeben. »Du weißt, dass das nicht geht, aber danke, dass du daran gedacht hast«, sagte sie ruhiger, als ihr zumute war. »Wir wissen beide, dass du nicht gern auf dem Wasser bist, und da die Reise mindestens sechs Wochen dauern wird, wäre es viel zu viel für dich.«
Sein Kinn sank auf die Brust, und sie ergriff über den Tisch hinweg seine Hand. »Warum überlegst du dir nicht, einen anderen Künstler aufzunehmen, der das Atelier mit dir teilt, solange ich fort bin«, schlug sie vor. »Das würde dir ein paar Einnahmen und Gesellschaft verschaffen, und ehe du dich versiehst, bin ich wieder da.«
»Bertie hat vorgeschlagen, ich solle zur Künstlerkolonie in Newlyn gehen, um eine neue Perspektive auf die Dinge zubekommen.« Er schaute sie unter den Wimpern hervor an. »Er war heute Morgen hier.«
Lulu wurde kalt. »Und natürlich konntest du nicht anders, als ihm von meinen Plänen zu erzählen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich wusste nicht, dass sie so geheim waren«, entgegnete er trotzig.
Ruckartig zog sie ihre Hand zurück. »Du bist wirklich das Letzte, Maurice. Du wusstest sehr genau, dass ich es ihm sagen wollte, wann es mir passte.«
»Nun ja, ich habe dir den Ärger erspart, oder?« Er schaute zur Seite. »Er ist nicht gerade begeistert, dass du ihn im Stich lässt, aber anscheinend macht es dir ja nichts aus, wie es uns damit geht. Du fährst auf jeden Fall, und zum Teufel mit den anderen.«
Sie betrachtete ihn misstrauisch. »Du hast nicht etwa Clarice angerufen und es ihr auch gesagt, oder?«
Er schüttelte den Kopf.
»Dann wäre ich dir dankbar, wenn du es mir überlassen würdest. Es geht dich wirklich nichts an, Maurice, und Clarice braucht vorsichtige Behandlung.« Sein Ausdruck blieb störrisch. »Mir ist klar, dass du nichts mehr hören willst, was ich zu dem Thema zu sagen habe, daher wäre es nur vergeblich. Tut mir leid, Maurice, aber ich kann mein Leben nicht mit dir in der Tasche verbringen – nicht mehr. Es wird Zeit für uns beide, dass wir auf eigenen Füßen stehen und weitermachen.«
»Du hast gut reden«, murrte er. »Manche von uns haben nicht deine Vorteile.«
»Lass das, Maurice«, warnte sie ihn. »Du bist ein begabter Künstler mit einem persönlichen Einkommen sowie deiner Militärpension. Du hast ein Zuhause und ein Atelier. Wenn dir mein
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