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Himmel über Tasmanien

Himmel über Tasmanien

Titel: Himmel über Tasmanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McKinley
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Tageszeit genau richtig.«
    Durch die Haustür gelangte man in eine quadratische Diele, die mit schwarzen und weißen rautenförmigen Fliesen ausgelegt war. Die Treppe zum Atelier war elegant geschwungen. Sonnenlicht strömte herein und warf die Farben des Buntglasfensters über der Tür in die Diele.
    Lulu trat ein und erstarrte. Absolute Stille herrschte – als hielte das Haus den Atem an –, doch in dieser Stille vernahm sie ein eigenartiges Geräusch. Sie ging noch einen Schritt vor, und eine unerklärliche Angst erfasste sie, bei der sich die Haare auf ihren Armen und im Nacken aufstellten.
    Ein langer Schatten fiel quer durch die Diele, der sich beinahe unmerklich bewegte. Leise quietschend, vor und zurück. Vor und zurück. Lulus Blick folgte dem Schatten ängstlich aufwärts.
    Maurice hing oben am Treppengeländer.
    Lulus Schrei hallte im großen Raum wider.
    »Ruf einen Krankenwagen«, befahl Bertie, schob sie zur Seite, rannte die Treppe hinauf und kramte hastig nach dem Taschenmesser, das er immer bei sich trug.
    Mit fliegenden Fingern griff Lulu nach dem Telefon.
    Durch ihre Schreie alarmiert kam der Chauffeur in die Diele gerannt. Er beeilte sich, um Maurice’ Gewicht abzufangen, während Bertie begann, den Morgenrockgürtel durchzuschneiden.
    Lulu gab die Adresse durch und drängte die Sanitäter zur Eile, bevor sie die Treppe hinauflief. Ein Blick in das farblose Gesicht und die starren Augen reichte. Maurice war seit einiger Zeit tot.
    »Wir müssen versuchen, ihn zu reanimieren«, rief sie, als die beiden Männer ihn über das Geländer hievten und auf den Boden legten.
    »Zu spät«, sagte Bertie und zog sie von der reglosen Gestalt zu ihren Füßen weg. »Er ist tot, Lulu.«
    »Nein, das kann nicht sein«, schluchzte sie. »Es muss doch noch etwas geben, was wir tun können.«
    Seine Hände waren sanft, aber bestimmt, als er Lulu in seine Arme schloss. »Er ist bereits kalt«, flüsterte er. »Er muss es heute Morgen sehr früh getan haben.«
    »Ich hätte es wissen müssen«, schluchzte sie. »Warum habe ich es nicht kommen sehen? Oh Gott, Bertie, was habe ich nur getan?«
    Berties Schweigen zog sich in die Länge, bevor er sich räusperte und versuchte, sie zu trösten. »Maurice’ Verstand war immer zerbrechlich – so traurig es ist, aber es war unvermeidlich, dass so etwas eines Tages passieren würde. Vermutlich war der Gedanke, dass du ihn zurücklassen würdest, einfach zu viel für ihn.«
    »Es wäre nicht passiert, wenn ich mich mehr gekümmert hätte«, murmelte sie unter Tränen. »Ich hätte ihm zuhören sollen – richtig zuhören und nicht …«
    »Schhh, Lulu. Es war nicht deine Schuld.«
    Aber das war es – es war ihre Schuld, und von Minute zu Minute wuchs in Lulu die Überzeugung, dass ihr Handeln und ihre barschen Worte zu dieser Tat geführt hatten. Sie ließ die Szenen vom Vortag an sich vorüberziehen. Die Anzeichen waren alle vorhanden gewesen, aber sie hatte die Augen davor verschlossen, weil sie nichts hatte sehen wollen .
    Ihr Herz schlug wie wild, und das Atmen fiel ihr schwer – doch ihre Beklemmung war nichts im Vergleich zu der geistigen Qual, unter der Maurice gelitten haben musste, um sich so etwas Schreckliches anzutun. Die überwältigenden Schuldgefühle durchfluteten sie in Wellen, bis sie den Verstand zu verlieren glaubte.
    Die Polizei traf gleichzeitig mit dem Arzt ein. Lulu saß in Maurice’ Küche und lauschte auf ihre Stimmen und ihre Schritte, während Bertie in seiner gewohnt ruhigen und geordneten Art die Sache in die Hand nahm. Sie war wie betäubt vor Schreck, unfähig, geradeaus zu denken oder zusammenhängende Sätze hervorzubringen. Maurice war tot – und schon hallte das Haus in der Leere wider, die er hinterlassen hatte.
    »Ich habe ihnen eine Erklärung abgegeben«, sagte Bertie kurz darauf. »Komm, Lulu, ich nehme dich wieder mit zu mir.«
    Lulu ließ sich von ihm die Treppe hinunter zum Wagen führen, doch sie bewegte sich wie eine Schlafwandlerin, sah nichts, empfand nichts, hatte nur das Bedürfnis, sich zusammenzurollen und die Erinnerung an Maurice, wie er vom Geländer herabhing, auszublenden.
    Er war Lulu und Bertie quer durch London gefolgt und hatte sich bemüht, auf seinem ziemlich klapprigen Fahrrad mitzuhalten. Jetzt gehörte er zu den vielen Zuschauern auf der anderen Straßenseite und sah zu, wie die Polizei vor dem Haus eintraf und der Krankenwagen die in eine Decke gehüllte Leiche fortbrachte.
    Er kaute auf seiner Lippe,

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