Himmel über Tasmanien
als Bertie eine aufgelöste Lulu die Treppe hinunterbegleitete und ihr in den Wagen half. Er konnte nur vermuten, was geschehen war, und er fragte sich, ob diese Tragödie den Plänen seines Arbeitgebers wohl ein Ende setzen würde. Das war auf jeden Fall unvorhergesehen – und etwas, das er umgehend zu berichten hatte.
An das, was in der darauffolgenden Woche geschah, erinnerte Lulu sich kaum. Die Medikamente des Arztes waren stärker als sonst, und sie hatte das Gefühl, als treibe sie in einem Kokon aus Trauer und Erschöpfung durch jeden Tag. Sie war sich bewusst, dass Clarice kam, dass Dolly häufig zu Besuch war und dass Bertie die gerichtliche Untersuchung und die Vorbereitungen für Maurice’ Beerdigung in die Hand nahm, aber ihr war, als stehe sie abseits von allem und allen, eine Zuschauerin in einem Drama, dessen Drehbuch sie nicht kannte.
Am Vorabend der Beisetzung saß Lulu am Fensterplatz in Berties Villa und starrte hinaus auf den gepflegten Rasen.
»Dachte ich mir doch, dass ich dich hier finden würde«, sagte Bertie und machte die Wohnzimmertür hinter sich zu. »Das ist auch meine Lieblingsaussicht. Sehr beruhigend.«
Lulu nickte, doch sie hatte die Aussicht überhaupt nicht bemerkt.
»Ich dachte, den solltest du haben«, sagte er und holte einen Umschlag aus seiner Jackentasche. »Die Polizei hat ihn heute Morgen zurückgebracht. Er ist an dich adressiert.«
Lulus Hand zitterte, als sie den Brief entgegennahm, den Maurice vor seinem Tod geschrieben hatte. »Ich bringe es nicht über mich, ihn zu lesen«, gestand sie.
»Du wirst merken, dass er dich tröstet. Hoffentlich wird er deine Schuldgefühle von dir nehmen. Diese Schuld tragen wir alle, verstehst du, daher bist du nicht allein.«
Lulu zog das Blatt aus dem Umschlag und begann zu lesen, nachdem sie tief Luft geholt hatte.
Meine liebste Lulu,
bitte verzeih diese letzte, selbstsüchtige Tat. Aber auch ich muss nach Hause. Ich habe mich nach diesem schwer fassbaren Tod gesehnt, der mich so lange verhöhnt hat, und jetzt habe ich den Mut, diese quälende Welt zu verlassen und Frieden in ewigem Schlaf zu finden.
Vergieße keine Tränen um mich, du Liebe, denn ich bin endlich zufrieden – und wenn du an die ruhigen Strände deiner Heimat kommst, dann sollst du wissen, dass ich meine erreicht habe. Geh mit meinem Segen und meiner Liebe.
Gute Nacht, liebe Lulu, gute Nacht.
Maurice
Lulus Tränen strömten ungehindert, während sie den Brief vorsichtig faltete und an ihr Herz drückte. Maurice hatte endlich Frieden gefunden – und sie auch. Jetzt konnte die Genesung beginnen.
Seit Maurice’ Tod waren acht leidvolle Wochen vergangen, und als Lulu aus dem Zug stieg, richtete sie ihren Hut, den Dolly ihr zur Aufmunterung gegeben hatte. Sie trug nur selten Hüte; auf langem Haar saßen sie selten so, wie sie sollten, aber sie hatte es zur Seite gebunden, sodass es ihr über eine der Schultern fiel, und war mit dem Ergebnis einigermaßen zufrieden.
Dolly hatte ihr angeboten, mitzukommen, doch Lulu hatte es ihr ausreden können. Die bevorstehende Unterhaltung mit Clarice musste vorsichtig angegangen werden, und Dolly neigte dazu, ihre Meinung zu äußern, ohne nachzudenken. Doch als Lulu allein auf dem Bahnsteig stand und dem schnaufenden Zug nachschaute, überkam sie ein Anflug von Panik, und sie wünschte, sie säße noch darin.
Im Stillen schalt sie sich wegen dieser kläglichen Haltung. Sie wartete, bis sich der Rauch verzogen hatte, klemmte sich ihre Handtasche unter den Arm und lehnte das Angebot des Kofferträgers ab, ein Taxi zu rufen. Sie hatte kein Gepäck, der Weg bis Wealdon House war nicht weit, und sie brauchte diese letzten Augenblicke, um ihre Gedanken zu sammeln. Clarice entgegenzutreten würde Nerven und Stehvermögen erfordern, doch sie musste sich ihr stellen. Dolly hatte recht – höchste Zeit, aus Clarice’ Schatten zu treten.
Während sie die staubige Straße entlangging, kam sie an den vertrauten Läden vorbei und erwiderte die freundlichen Begrüßungen der Menschen, die sie zeitlebens gekannt hatte. Die uralte Kirche stand verschlafen in der Augustsonne, die Blumenrabatten rund um den Dorfanger leuchteten in allen Farben, und die Ruhe auf dem Teich wurde von quakenden Enten und Moorhühnern gestört. Sie nahm den Anblick, die Geräusche und Gerüche des Ortes in sich auf, in dem sie sechzehn Jahre lang zu Hause war, denn nach dem heutigen Tag sah sie ihn vielleicht nie wieder.
Der Gedanke machte sie
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