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Himmel über Tasmanien

Himmel über Tasmanien

Titel: Himmel über Tasmanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McKinley
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ich es nicht tun sollte. Dann drohst du mir damit, mich aus dem einzigen Zuhause zu verbannen, das ich je gehabt habe, und machst mir Schuldgefühle. Und heute gingst du sogar so weit, mit deiner angeschlagenen Gesundheit zu übertreiben und mich damit emotional zu erpressen, damit ich mich deinem Willen füge.«
    »Ich habe nur versucht, dir klarzumachen, wie wichtig es ist, dass du hierbleibst«, brummte Clarice niedergeschlagen.
    Lulu legte sanft eine Hand auf Clarice’ Arm. »Du hast zu viel dagegen protestiert, Tante Clarice, und das war dein Fehler.«
    »Ich wusste nicht, was ich sonst machen sollte«, gab Clarice zu.
    Lulu sah die Verwirrung und das Bedauern in ihren Augen und lenkte ein. »Du hättest meine Fragen beantworten können. Ich liebe dich, Tante Clarice, und das wird auch sobleiben. Aber wenn du dich beständig weigerst, mit mir zu sprechen, bleibt mir nichts anderes übrig, als die Wahrheit selbst herauszufinden.«
    Alle Farbe war aus Clarice’ Gesicht gewichen, als sie sich aus Lulus Reichweite zurückzog und aufstand. »Und was ist, wenn diese teure Wahrheit, die du so sehr suchst, dunkel und hässlich und zerstörerisch ist, Lorelei? Was dann?«
    »Dann werde ich mein eigenes Urteil fällen und vielleicht besser verstehen, warum du mir gegenüber nicht ehrlich sein konntest.«
    Düsteres Schweigen senkte sich über sie, und Lulu sah Clarice an, dass sie um Fassung rang. Sie befanden sich in einer Sackgasse, keine von beiden war bereit, einen Rückzieher zu machen, der letzte Fehdehandschuh war geworfen – hatte Lulu zumindest gedacht.
    »Wenn du nach Tasmanien gehst, enterbe ich dich.«
    Clarice’ Worte waren so schockierend, dass Lulu ihre Großtante eine Weile nur anstarren konnte. »Das bleibt dir unbenommen«, entgegnete sie schließlich. »Aber wie du bereits sagtest, hat es nichts mit Geld zu tun. Eher mit einem Geheimnis, das du seit Jahren für dich behältst. Sicherlich kann es doch nun keine von uns mehr verletzen? Es muss eine uralte Geschichte sein.«
    Irgendetwas veränderte sich in Clarice’ Augen, aber es war nur flüchtig und schien ihre Entschlossenheit zu verstärken. »Für dich vielleicht«, sagte sie, »aber für mich ist sie noch frisch.« Ihre blassblauen Augen betrachteten Lulu fast ablehnend. »Die Taten der Vergangenheit formen und prägen eine jede Generation, Lorelei, und wie du zweifelsohne vor kurzem entdeckt haben wirst, fordern sie häufig einen hohen Preis von denen, die sie heraufbeschwören.« Sie atmete tief durch. »Meine Zeit in Tasmanien war nicht glücklich – und deine auch nicht, wenn du es dir recht überlegst. Ich möchte dirnur das Leid ersparen, das dort auf dich wartet, wie ich sicher weiß.«
    Lulu wollte ihr die Hand reichen und ihr sagen, dass es ihr leidtue, doch Clarice schien ihre Absicht zu spüren, entfernte sich von ihr und trat an die Terrassentür.
    »Wenn du gehst, dann weißt du ob der Folgen«, sagte sie traurig. »Ich habe mein letztes Wort dazu gesagt.«
    Lulu starrte auf den steifen Rücken, die entschlossene Neigung des Kopfes der alten Frau und wusste, dass nicht mehr viel zu sagen war. »Wenn das so ist, werde ich einige meiner Sachen zusammenpacken und dann aufbrechen«, sagte sie leise. »Ich werde dafür sorgen, dass der Rest meiner Habe nach London geschickt wird, und da ich annehme, dass die Wohnung nicht mehr mir gehört, werde ich bei Dolly wohnen, bis wir ablegen.«
    »Die Wohnung kannst du behalten. Ich möchte dich nicht obdachlos sehen.« Die Stimme war leise und unerträglich müde.
    »Danke.« Lulu wartete, dass Clarice ihre Meinung änderte und ihr wenigstens einen Funken Hoffnung auf eine Möglichkeit bot, wie die Kluft zu überbrücken wäre – doch der Rücken blieb starr, der Kopf abgewandt. »Bitte, mach das nicht, Tante Clarice. Ich bin von Maurice genug gestraft worden, und jetzt muss ich London entfliehen und in die Zukunft schauen – aber es wäre mir lieber, wenn du mir deinen Segen geben würdest.«
    Clarice durchquerte schweigend den Raum und machte die Tür hinter sich zu, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen.
    Lulu sank auf den Stuhl und starrte zur Tür. Trauer um das, was sie verloren hatte, überwältigte sie. Sie hätte Clarice nicht so hart angehen dürfen. Hätte nicht verlangen sollen, zu erfahren, welche Geheimnisse oder Skandale sie verbarg – denn sie waren offensichtlich schmerzhaft. Clarice stammteaus einer anderen Generation, dazu erzogen, schmallippig und stolz zu sein –

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