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Himmel über Tasmanien

Himmel über Tasmanien

Titel: Himmel über Tasmanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McKinley
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hatte sie in langen Zügen eingeatmet, um den üblen Geruch der Kabine loszuwerden. Es war noch früh, und sie war die einzige Passagierin hier oben, doch die Sonne war bereits aufgegangen und verhieß einen schönen Tag mit blauem Himmel. Das passende Wetter für eine Heimkehr.
    Sie stopfte ihre Haare unter eine weiche Wollmütze, zog sich den Mantelkragen bis ans Kinn, um sich gegen den kalten Wind zu schützen, und überlegte, Dolly zu wecken. Die frische Luft würde ihr nach all der Übelkeit guttun, und das Meer hatte sich beruhigt. Doch es war nur ein flüchtiger Gedanke, und sie fragte sich, ob es egoistisch war, Dolly schlafen zu lassen, damit sie ihren ersten Blick auf Tasmanien in einsamer Zufriedenheit genießen konnte.
    Ob eigennützig oder nicht, Lulu blieb, wo sie war. Sie wollte diesen Augenblick nicht teilen, denn dort am Horizont lag der unverkennbare Landfleck, den sie seit sechzehn Jahren nicht gesehen hatte. Ihr Herz hämmerte, und sie hielt sich an der Reling fest, vor Tränen fast blind, während die Rotamahana Richtung Süden dampfte und der Fleck immer deutlicher wurde.
    Seevögel tauchten auf, um sie mit schlagenden weißen Flügeln und klagendem Geschrei in Empfang zu nehmen, das mit dem Wind zu ihr herüberwehte. Dann kamen gelbe Sandflächen in Sicht. Lulu sog den Anblick kleiner Buchten und Meeresarme in sich auf, die im Schutz hoch aufragender Klippen aus dunklem Fels und bewaldeter Hügel lagen. Sie atmete den Duft von Akazien, Eukalyptus und Kiefern ein und beobachtete die Rauchfahnen, die aus den Schornsteinen der weißen Holzhäuser auf den Hügeln unter den Bäumen stiegen. Ihr Blick verschlang die Ansammlung kleiner Städte, die Kais und Werften, in denen die Fischerflotten vor Ankerdümpelten, die riesigen Holzlager, die so gut nach frisch geschlagenem Holz rochen. Es war so wunderbar, zauberhaft vertraut, und sie konnte kaum glauben, dass es Wirklichkeit war.
    Aber das war es – und ihr Atmen wurde zu einem Schluchzer, als die Liebe zu ihrem Heimatland, die sie bis jetzt nicht zum Ausdruck zu bringen gewagt hatte, aufwallte und den Widerstand so vieler Jahre durchbrach.
    Sie war zu Hause.
    Joe sah zu, wie das Schiff vor Anker ging und vertäut wurde. Die Rotamahana sollte in wenigen Wochen außer Dienst gestellt werden, und ihm wurde klar, dass sie ihm fehlen würde, denn sie war ein Unikat. Er ließ den Blick über den Kai schweifen, bemerkte viele vertraute Gesichter unter den Farmern, Ladenbesitzern und Viehzüchtern, die dort warteten. Die Überfahrt vom Festland zweimal pro Woche war wie eine Nabelschnur für die Insel, und die Aussicht auf ein schnelleres, größeres Schiff würde vermehrten Viehhandel nach sich ziehen sowie Besucher.
    Er war eigenartig nervös und wünschte, er wäre woanders, während er an der Motorhaube des Geländewagens lehnte und den geschäftigen Anleger betrachtete. Er wollte sein Augenmerk schon wieder auf die Rotamahana richten, als er genau das Gesicht erblickte, mit dem er nicht rechnete. Seine Laune sank. Seine Mutter hatte recht gehabt. Gwen Cole hatte es sich nicht nehmen lassen, einen Blick auf ihre Tochter zu werfen.
    Sie saß am Steuer eines Geländewagens, der an einer Seite des Kais abgestellt war, und der Rauch ihrer Zigarette zog aus dem offenen Fenster. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Schiff. Ihre Miene verriet nichts, und Joe fragte sich, wie es ihr wohl mit dem bevorstehenden Eintreffen ihrer Tochterginge. Würde es eine tränenreiche Vereinigung geben – oder eine gegenseitige Beschimpfung? Oder würde sie sich einfach nicht vom Fleck rühren und ihre Ankunft nur beobachten? Er hoffte auf Letzteres, denn für Zickenkrieg und Tränen war er schlecht gerüstet.
    Er beobachtete, wie sie die nächste Zigarette an der Kippe der ersten anzündete, den Rauch ausblies und ungeduldig mit den Fingern auf das Lenkrad trommelte. Ganz offensichtlich war sie angespannt, aber war es nur die Nervosität oder etwas ganz anderes?
    Als er den Blick abwandte, merkte er zu spät, dass er nicht der Einzige war, dem ihre Anwesenheit aufgefallen war. Auf dem Anleger verteilt standen tuschelnde Grüppchen, die mit wissendem Grinsen über den Kai schauten. Die Atmosphäre war geladen und unangenehm, doch Gwen schien sich dessen nicht bewusst zu sein, da sie das Schiff nicht aus den Augen ließ.
    »Hallo, Kumpel. Freust du dich schon drauf, wenn die Fetzen fliegen?« Der Farmer war ein Nachbar, seine Frau eine der größten Klatschbasen der

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